Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
riesige, kaum vorstellbare Dimensionen besaß. Für viele war es eine Überraschung, dass erst jetzt, nach dem Ende des Kalten Krieges, allmählich alle die Kontrolle über die Spionage verloren. Zum Glück für die Nachrichtendienste interessierten sich Unternehmen, Presse und Bürger nicht sonderlich für die elektronische Spionage, obwohl darüber heutzutage viele Informationen zugänglich waren.
Ketonen suchte aus einem Hängeordner das Fax, das er am Montag von der NSA erhalten hatte. Es war halb zwei, also kämen die Yankee-Ermittler an der Ostküste vielleicht schon in etwa zwei Stunden zur Arbeit. Dann würde er anrufen. Er las langsam die Kontaktdaten seines amerikanischen Kollegen: Jeremy S. Murray, Special Agent, National Security Agency, Fort George G. Meade, MD, USA.
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Aus Irinas Kehle drang ein lauter Seufzer, als Tang Wenge kam. Sie öffnete ihre Beine, mit denen sie seine Hüften umklammert hatte, und der einhundertzwölf Kilo schwere, schwitzende Chinese drehte sich schnaufend auf den Rücken.
Tang war sicher, dass Irina ihren Orgasmus nur vortäuschte, die Frau konnte wohl kaum immer genau zur gleichen Zeit wie er kommen. Ihm reichte es jedoch, dass er Irinas vollkommenen Körper dann benutzen konnte, wenn er Lust darauf hatte.
Das war das letzte Mal, beschloss Irina. Ihr war übel. Sie schaffte es nicht mehr, während des Aktes an etwas anderes zu denken. Außerdem verstand Tang unter sicherem Sex, dass die Bettkante gepolstert war. Lieber hätte Irina alle afrikanischen Waisenkinder adoptiert als Tangs Nachwuchs auszutragen.
Irina stand auf und sagte, sie gehe duschen. Tang zündete sich eine Zigarette an und trank einen großen Schluck seines Lieblingsgetränks Maotai. Er konnte nicht verstehen, dass die Leute aus den westlichen Ländern behaupteten, der Hirseschnaps schmecke nach Lampenöl und rieche wie Liniment. Nach dem Sex fühlte er sich immer sehr entspannt, doch die angenehme Stimmung war sofort dahin, als er an den Fall Inferno und an Igor Sterligow denken musste. Seine angeheuerten Helfer aus Tallinn hatten bei dem Versuch, Tommila zu entführen, versagt, einer war bei dem Autounfall ums Leben gekommen, und zu allem Überfluss hatten sie zugelassen, dass Swerdlowsk ihnen Tommila vor der Nase wegschnappte. Oder war das Absicht gewesen? Hatte Igor Sterligow ihm ergebene Helfer schon damals angeworben, als er im Auftrag des SVR Agenten für dessen Büro in Tallinn ausbildete? Aber wenn es so wäre, warum hätten die Männer aus Tallinn dann verraten, dass sie Sterligow gesehen hatten? Das war das einzige brauchbare Ergebnis, das sie zustande gebracht hatten.
Er war dem Erfolg so nahe. Der Einbruch in Wiremoney wäre für China nicht nur ein ökonomischer, sondern auch ein wirtschaftspolitischer Sieg. Wenn die National Bank eines der weltweit gefragtesten Systeme für den elektronischen Zahlungsverkehr schließen müsste, wäre das Vertrauen desMarktes in die Sicherheit des Online-Handels erschüttert. Erst wenn absolut zuverlässige Datenschutzprogramme zur Verfügung ständen, würde man das Internet weiterentwickeln. China gewänne Zeit, um den technischen Vorsprung des Westens aufzuholen. Und wenn es Guoanbu schaffte, eine Kopie des Inferno-Programms herzustellen, könnte die an Entwicklungsländer im Fernen Osten und in Afrika verkauft werden. Und das alles wäre sein Verdienst.
Tang war jedoch überzeugt, dass es ihm nicht gelingen würde, Igor Sterligow das Passwort wegzuschnappen. Aber in Peking würde man einen Weg finden, um Swerdlowsk Paroli zu bieten. Sollte er veranlassen, dass sein Vorgesetzter die Verantwortung für die Lage und für die Kriegserklärung an Swerdlowsk übernahm? Würde man ihn in Peking für unfähig halten, wenn er die Leitung seiner ersten großen Aufklärungsoperation nach oben abgab, sobald Probleme auftauchten? Auch das war immer noch besser als ein totaler Misserfolg. Das Gesicht zu verlieren war das Schlimmste, was einem Chinesen widerfahren konnte. Alternativen gab es nicht, er brauchte unbedingt Unterstützung. Seinem Vorgesetzten würde er berichten, dass es noch nicht zu spät war. Sterligow hatte Anna-Kaisa Holm getroffen, aber das Passwort nicht erhalten. Warum hätte Swerdlowsk Tommila sonst entführt? Guoanbu blieb immer noch Zeit.
Tang benötigte noch mehr Maotai, um seine Entscheidung zu untermauern. Der Fall musste vor dem Neujahrsfest gelöst werden: Schon zwei Jahre hatte er das größte chinesische Fest nicht zu Hause in
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