Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Schmerz nahm zu, als er sich bewegte. Ihm wurde übel. Er setzte sich hin, und der Schmerz ließ beinah sofort nach, dafür wurde die Angst umso größer. Er hoffte, in Ohnmacht zu fallen. Was würde der Geier jetzt tun? Wie sollte er das aushalten? Würde er verrückt werden? Er wollte schreien, begriff aber, dass er das nicht durfte. Wenn er völlig zusammenbrach, würde er den Geier nie davon überzeugen können, dass es sinnlos war, ihn zu foltern. »Du verschwendest deine Zeit. Ich kann das Passwort nicht schreiben, selbst wenn du mich zu Tode folterst«, stammelte er. Die Angst verstärkte die Übelkeit. Er wollte sich aber nicht wieder übergeben.
Sterligow befestigte die Riemen um die Hand- und Fußgelenke, die Hüfte und die Stirn und überlegte dabei. So wie sich Tommila verhielt, hatte kein einziges seiner früheren Opfer reagiert. Der Junge war völlig zusammengebrochen und wollte dennoch das Passwort nicht schreiben. Konnte sich Tommila tatsächlich nicht daran erinnern? Er hatte nicht die Zeit, den jungen Mann tagelang zu überreden. Guoanbu oder die SUPO könnten sie finden. Der einzige andere Weg, an das Passwort zu kommen, bestand darin, die SUPO mit der Drohung zu erpressen, Tommila werde umgebracht. Diese Alternative war nicht verlockend: Das Passwort sicher gegen Tommila einzutauschen wäre äußerst schwierig. Das gäbe der SUPO eine glänzende Gelegenheit, ihm auf die Spur zu kommen. Möglicherweise suchte sie ihn schon. Vielleicht hatte Anna-Kaisa Holm Kontakt zur Sicherheitspolizei aufgenommen.
Sterligow fluchte auf Russisch so laut, dass es im Keller widerhallte. Und wenn der »Hund« nun gelogen hatte, als er behauptete, Tommila könne das Passwort selbst im Traum niederschreiben? Und warum hatte der »Hund« den Chinesen das Passwort nicht noch einmal gegeben? Er besaß die Kundennummern und Kontendaten der Kunden der National Bankund das Passwort und könnte selbst jederzeit in die National Bank einbrechen. Hatte er sich von dem »Hund« übers Ohr hauen lassen? Sterligow hob den Elektroschocker langsam vor Tommilas Gesicht und drückte den Stromschalter. »Erinnern Sie sich an das Passwort?«, fragte er ganz ruhig, als der Hochspannungsstrom zwischen den beiden Elektroden einen vibrierenden und knisternden Miniblitz erzeugte.
Tommila schluchzte nicht mehr, sondern heulte wie ein Wolf. Er zappelte auf dem Stuhl. Die Riemen spannten sich, als der kalte Schmerz durch seine Leistengegend jagte.
So, nun hätten wir also auch dieses Spielzeug ausprobiert, dachte Sterligow. Der Elektroschocker fiel zu Boden, und er schätzte die Lage ein. Als Erstes musste er sofort klären, wer log, der »Hund« oder Tommila? Er befürchtete schon das Schlimmste. Wenn der »Hund« gelogen hatte, dann war er gezwungen, sich das Passwort sofort bei der SUPO zu beschaffen und dafür zu sorgen, dass der »Hund« keine Gefahr für sein Wiremoney-Projekt darstellte. Er musste den schnellstmöglichen Weg für die Beschaffung des Passworts wählen. Orel interessierten nur Ergebnisse. Bei einem Misserfolg stand am Ende kein Dank, sondern das Kreuz auf seinem Grab.
Sterligow drückte den Zeigefinger auf die Halsschlagader des bewusstlosen Gefangenen: Manchmal konnte die Behandlung mit Strom zum Herzstillstand führen. Dann vergewisserte er sich, ob das Handy und der Akku in der Tasche seines Schafspelzmantels steckten. Um anzurufen, musste er weit von dem Gebäude wegfahren. Das Risiko, dass die Hütte lokalisiert wurde, konnte er nicht eingehen. Wenn sich herausstellte, dass Tommila doch imstande war, das Passwort zu schreiben, würde er zurückkehren und die Informationen aus dem Jungen herausholen, wenn es sein musste, jedes Zeichen einzeln. Falls Tommila die Wahrheit sagte, würde er die SUPO anrufenund Tommilas Leben als Gegenleistung für das Passwort anbieten.
Sterligow wusste, wen er als Überbringer des Schlüssels zur Hintertür verlangen würde.
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Jussi Ketonen hatte mit rotem Filzstift »LAGEBESPRECHUNG. SAMSTAG. 19.30« auf das Flipchart geschrieben. Im Raum A 310 herrschte eine angespannte Atmosphäre. Ratamo und Riitta Kuurma saßen nebeneinander und schauten erst einander und dann den Chef an, der nervös auf und ab ging. Piirala machte Notizen. Wrede kam zu spät. Ketonen war enttäuscht, dass die NSA sich geweigert hatte, der SUPO zu helfen. Nach Auffassung von Special Agent Murray wäre für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit die Genehmigung des Kongresses erforderlich. Die NSA und
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