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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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war das Maß allmählich voll. Sie mußte van der Waal schon anderthalb Jahre ertragen, seit die Wahre IRA den Auftrag für die Ermordung der Physiker übernommen und ihr diese Aufgabe übertragen hatte. Aber aufgeben kam nicht in Frage, denn die Zukunft der Wahren IRA hing von ihr ab. Wenn sie und Ezrael Erfolg hatten, würde van der Waal der Wahren IRA ein astronomisches Honorar zahlen, mehr als die NORAID, eine Organisation zum Spendensammeln, in den ganzen siebziger Jahren bei den Iren in den USA auftreiben konnte. Das erste Mal würden sie so die Möglichkeit erhalten, Waffen und Ausrüstung zu beschaffen, mit denen man den Briten ernsthaften Schaden zufügen konnte.
    »
Beidh lá eile ag an Phaorach
– auch unser Tag wird noch kommen.« Den Satz hatte Mary als Teenager Anfang der achtziger Jahre auswendig gelernt, nachdem sie in einem Pamphlet der IRA gelesen hatte, daß »jedes erklingende irische Wort eine Kugel im Kampf für die Freiheit Irlands ist«.
    Mary verließ die Kirche, ging hinunter in den Salon, der im Stil des siebzehnten Jahrhunderts eingerichtet war, von dort in den Empfangssaal im Rokoko-Stil und verließ dann das Museum durch den Haupteingang. Das Sonnenlicht zwang sie, die Augen zusammenzukneifen, das Butanfeuerzeug sprang an, und voller Genuß atmete sie die ersten Züge aus der Zigarette ein.
    Am Ufer des Oudezijds-Voorburgwal-Kanals fuhr der Wind in Marys rote Haare. Einen Mißerfolg konnte sie sich nicht leisten, vom Gelingen dieses Projekts hing das Schicksal allzu vieler Republikaner ab. Sie beschloß, Ezrael anzurufen und ihrem Bruder zu erlauben, sich wieder an einem neuen Verräter zu rächen.

16
    Die Hände in blutigen Gummihandschuhen schoben sich in die Bauchhöhle der Leiche und zogen die Leber heraus. Der Obduktionsgehilfe, der grüne Krankenhaushosen und ein grünes Hemd trug, den weißen Kopf- und den Gesichtsschutz, Plastikschürze und Gummistiefel, hob das Organ hoch wie eine Opfergabe. »Genau eins Komma sieben Kilo«, tippte er und legte die Leber von Hannu Elvas auf die Waage. Die Digitalziffern blinkten und blieben bei dem Wert 1,8042 stehen. Der Mann brummte und legte das innere Organ zur Untersuchung durch den Gerichtsmediziner auf den metallischen Arbeitstisch. In dem Augenblick ging die Tür auf. Arto Ratamo und Jussi Ketonen betraten die stählerne Reinheit des Obduktionssaales im Institut für Gerichtsmedizin der Universität Helsinki, begleitet wurden sie von einer Frau mittleren Alters in einem weißen Kittel. An den Geruch erinnerte sich Ratamo aus der Zeit als Medizinstudent. Hatte der Tod einen Eigengeruch, oder verschmolzen die Stimmung dieses Ortes und der Geruch des Desinfektionsmittels in seinem Kopf zum Todesgestank? Die Obduktionstische sahen anders aus als Ende der achtziger Jahre, moderner. Das Metall der an ihren Enden befestigten Geräte und Lampen glitzerte im hellen Licht der Deckenlampen, und Jalousien versperrten den Blick nach draußen.
    Ketonen schaute erst auf Elvas’ geöffneten Schädel undBauch und dann auf das Gehirn und die inneren Organe, die auf dem Untersuchungstisch lagen. Er spürte ein Stechen in der Leber.
    Der Gerichtsmediziner Ahti Nurmi zog die schmalen Augenbrauen hoch, die man zwischen Kopf- und Mundschutz sah. »Was zum Teufel wollen Sie …«
    »Jussi Ketonen, Chef der Sicherheitspolizei, und das ist Oberkommissar Arto Ratamo. Wir kommen wegen der Todesursache von Hannu Elvas. Wir brauchen die Information jetzt sofort«, sagte Ketonen resolut.
    Nurmi stützte seine blutigen Hände auf den Obduktionstisch und betrachtete die Eindringlinge prüfend. Dann seufzte er und stellte sich und seinen Obduktionsgehilfen vor. »Die Obduktion ist noch im Gange. Die gerichtschemischen, mikroskopischen, bakteriologischen, virologischen und serologischen Untersuchungen werden erst morgen oder übermorgen abgeschlossen. Aber eins steht fest: Hannu Elvas ist ermordet worden«, sagte Nurmi.
    »Gottverdammich«, entfuhr es Ketonen, er warf Ratamo einen kurzen Blick zu. »Und wie?«
    »Der Mörder wollte, daß es wie ein natürlicher Tod aussieht. Er hat, kurz gesagt, über die äußere Halsschlagader Luft in den Blutkreislauf von Elvas gespritzt.«
    Ketonen lächelte. Er hatte gehört, daß einige Pathologen einen makabren Sinn für Humor besaßen. »Aha, Luft gespritzt …«
    Ratamo ärgerte sich, er hätte diesen Gang allein bedeutend schneller erledigen können, da er dank seiner Ausbildung als Mediziner die gleiche Sprache verwendete

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