Finnisches Quartett
wie Nurmi. Doch der Chef genoß seine letzten Ermittlungen so sehr, daß er jetzt sogar bei den Untersuchungen vor Ort unbedingt dabeisein wollte.
Der Gerichtsmediziner Nurmi wirkte ungeduldig und warf seinem Gehilfen einen grimmigen Blick zu. »Der Mörderhat Elvas mindestens zweihundert Kubikzentimeter Luft eingespritzt. Das geht nicht so schnell, aber Elvas ist dennoch während der gesamten Tat bei Bewußtsein gewesen. Trotz seiner Trunkenheit muß er zumindest versucht haben, sich zu wehren. Ich verstehe nicht, warum der Mörder sein Opfer nicht bewußtlos geschlagen hat, es sieht fast so aus, als wollte er, daß Elvas leidet. Der ist nicht zu beneiden gewesen. Eine Luftembolie ist eine qualvolle Todesart.«
Jetzt begriff auch Ketonen, daß der Arzt nicht scherzte. »Wie kann man an Luft sterben?«
Ratamo konnte nicht mehr schweigen. »Sie bildet einen ›Luftverschluß‹, wenn sie in die Lunge gelangt. Dort sind die Haargefäße so eng, daß große Luftblasen nicht hindurchpassen. Der Verschluß bringt den Blutkreislauf zum Stillstand, und der Mensch stirbt ziemlich schnell, aber qualvoll.«
Nurmi nickte zustimmend. »Ein Mord, der mit Luftspritzen begangen wird, ist bei der Obduktion sehr schwer festzustellen, weil das einzig Erkennbare eine Luftblase irgendwo im Körper ist, meistens allerdings eben in der Lungenarterie. Bei der Obduktion passiert es leicht, daß die Luftblase verlorengeht. Diesmal habe ich die Luftblasen zufällig auf den Röntgenbildern festgestellt«, sagte der Gerichtsmediziner bedrückt.
Ketonen wurde klar, daß es dem Mörder von Elvas beinahe gelungen wäre, auch diesen Mord als Unfall zu tarnen. Sie hatten es mit einem effizienten und kaltblütigen Profi zu tun, oder mit mehreren. »Und wenn die Luftblase unbemerkt geblieben wäre?«
»Dann und wann, im ganzen Land vielleicht ein paarmal pro Jahr, geschieht es, daß die Todesursache nicht einmal bei der Obduktion festgestellt werden kann. Ich erinnere mich aus meiner Laufbahn allerdings nur an einen Fall …«, erwiderte Nurmi.
Ratamo trat näher an den Obduktionstisch heran, aber der Obduktionsgehilfe versperrte ihm den Weg, weil die Mitarbeiter der SUPO keine Schutzbekleidung trugen. »Gibt es andere Verletzungen, innere oder …«
»Im Genick des Patienten befinden sich zwei Hämatome … also Blutergüsse … blaue Flecke«, antwortete Nurmi, noch bevor Ratamo seine Frage beendet hatte, und betrachtete interessiert Ratamos vom Kautabak angeschwollene Oberlippe.
Ratamo stellte Nurmi noch ein paar ergänzende Fragen, dann verließen die beiden Mitarbeiter der SUPO den Obduktionssaal und gingen nachdenklich zu Ratamos Auto.
Musti, die sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen hatte, begrüßte Ketonen freudig. Es dauerte eine Weile, bis es dem Chef gelang, die alte Hündin auf den Rücksitz zu verfrachten. Es war ein warmer Tag, das Thermometer zeigte fast zwanzig Grad, und Ratamo hätte am liebsten das Verdeck seines Käfers für die Jungfernfahrt ohne Dach in diesem Frühjahr geöffnet, aber er verzichtete darauf, als ihm einfiel, daß Musti möglicherweise an einer Ampel auf die Straße hüpfen könnte.
Das dreißig Jahre alte grellgelbe VW-Kabrio sprang mit dumpfem Knattern an. Ratamo raste von der Kytösuontie in Ruskeasuo auf die Vihdintie, hielt an der Ampel an und spürte eine feuchte Berührung im Genick, als Musti auch ihn zur Begrüßung ableckte. Er bog in die Mannerheimintie ein, gab Gas und fuhr in Richtung Zentrum. Sand wurde aufgewirbelt.
»Fahr über die Topeliuksenkatu«, befahl Ketonen, kurz vor der Shell-Tankstelle von Tullinpuomi.
Der kommandiert herum, als wäre ich sein Chauffeur, fluchte Ratamo im stillen. Schon seit er Nelli früh zu Marketta gebracht hatte, kutschierte er Ketonen herum.
Der Chef unterbrach das Schweigen erst wieder auf Höheder Bibliothek von Töölö. »Man hat versucht, den Mord an Elvas wie einen natürlichen Tod aussehen zu lassen. Es ist sehr gut möglich, daß auch die drei anderen Physiker das gleiche Schicksal erlitten haben. Die Sache breitet sich jetzt aus, bis nach Deutschland, Frankreich und Italien«, murmelte er mit ernster Mine. »Sag Palosuo und Lukkari, sie sollen in die A 310 kommen. Das sind jetzt internationale Mordermittlungen.«
Warum rief Ketonen nicht selber an, ärgerte sich Ratamo, er hatte im lebhaften Verkehr alle Hände voll mit seinem Käfer zu tun. Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte er sich seinem Vorgesetzten zu, aber der ahnte schon, was
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