Finnisches Quartett
wäre.«
Ulla Palosuo sah so aus, als würde sie sich ihre Einwände verkneifen. Sie saß steif auf dem Rand des Stuhls und kaute an ihrer Oberlippe. »Es fällt schwer zu glauben, daß John Dexter so ein großes persönliches Risiko eingegangen ist, wie der AIVD vermutet.«
»Anscheinend ist alles möglich«, entgegnete Ketonen. »Apropos Politiker, hat Verteidigungsministerin Nordman noch mal angerufen?«
Ulla Palosuo schnaufte so, daß ihre Haarkonstruktion schwankte. »Ständig. Jetzt beklagt sie sich, daß ihr Sohn Lasse keine Informationen über seine Freundin Ulrike Berger erhält.«
»Sie hat natürlich Grund zur Sorge«, sagte Ketonen versöhnlich. »Der Tod von Mary Cash könnte bedeuten, daß alle, die etwas von dem Anschlag auf Dutch Oil oder von diesem Konsortium wissen, in Gefahr sind.«
Das Gespräch versiegte, und Ketonen bemerkte, daß Ulla Palosuo darauf wartete, gehen zu dürfen. Irgend etwas an der Atmosphäre des Gesprächs störte ihn. Hatte Ulla Palosuo ihm gegenüber eine gewisse Scheu, weil sie wußte, daß er die Ernennung von Erik Wrede als Nachfolger befürwortet hatte? Vielleicht glaubte sie, daß er die gleiche Auffassung vertrat wie Wrede, der nach der Ernennung von Palosuo getobt und behauptet hatte, sie habe den Posten bekommen, weil sie eine Frau war. Wrede hatte nach ihrer Ernennung die Nase so voll gehabt, daß er sich vor einem knappen Jahr von den Aufgaben als Leiter der operativen Abteilung hatte beurlauben lassen.
»Das hier wird ja nun bald dein Zimmer. Hast du schon mal Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wie du die SUPO reformieren willst, ein neuer Leiter sorgt ja auch immer für frischen Wind«, erkundigte sich Ketonen.
»Man muß zumindest …« Der Summer an der Tür unterbrach ihre Antwort.
Saara Lukkari, in Shorts und einem ärmellosen T-Shirt, trat herein, sie war schweißüberströmt und hielt ein paar Blätter in der Hand, die feuchte Flecken hatten. »Lasse Nordman ist gestern mit dem Bus von Ruoholahti nach Lauttasaari gefahren«, sagte sie, bevor sie den fragenden Blick ihrer Kollegen bemerkte. »Ich war gerade im Fitneßraum, als Sotamaa mich geholt hat.«
»Berichte weiter«, befahl Ketonen und versuchte seine Augen unter Kontrolle zu halten.
Die Ermittlerin wischte sich die Stirn mit dem Ellenbogen ab. »Ein Busfahrer hat Nordman auf den Fotos erkannt, weil er den Mann schon früher gesehen hat. Nordman steigt angeblich immer an derselben Haltestelle in der Nähe des Einkaufszentrums von Lauttasaari aus.«
Ketonen schlug mit der Hand auf den Tisch, so daß Musti bellte. »Gottverdammich, wir suchen alle Häuserdurch, in einem Radius von einem Kilometer. Kümmere dich darum. Und geh duschen«, befahl Ketonen und lächelte. Das war einer seiner letzten Befehle.
35
Die Bestie schlief, sie wartete nun ganz gelassen ab, weil sie wußte, daß sie bald Rache üben durfte. Ezrael fühlte sich ruhig und ausgeglichen, die Farbe war ein Blau, aber nicht ganz, eher Türkis: Darin lag sowohl die Abgeklärtheit des Blau als auch die Energie des Grün. Unter den Sündern muß man sich verhalten wie die Sünder, unter den Sündern … Ezrael drehte einen Stadtplan in den Händen und betrachtete das palastartige Einkaufszentrum Magna Plaza, seinen Glockenturm, die Kuppeln, die Ecktürme und die Skulpturen der Fassade im nachgeahmten Renaissance-Stil. Der Palast des Bösen glänzte im Sonnenschein wie das goldene Bild des Baal. Nur wenige konnten sich so konzentrieren wie er; sein Gehirn verarbeitete die Details des neuen Auftrags auch im Lärm der City mühelos. Er versuchte alles vorauszusehen, was im Laufe der nächsten Stunden geschehen würde.
Ezrael ging durch den Haupteingang der Einkaufshölle, die aussah wie ein Märchenschloß, hinein in das dichte Gedränge, und es schauderte ihn, als er die leeren Blicke der Menschen sah; die gleichgültigen Sünder, die auf dem Altar des Geldes opferten, begriffen nicht, was sie taten.
»Weh denen, die am Unrecht ziehen mit Stricken der Lüge und an der Sünde mit Wagenseilen.«
Bunte Schilder, Wappen und Ornamente schmückten die Säulengänge an den Seiten des Foyers, das bis zur Decke reichte. Er fuhr mit der Rolltreppe in die erste Etage und steckte seine vierfingrige Hand in die Hosentasche, als er das Café Ristretto betrat. Ezrael konntefast alles auf ganz natürliche Weise auch mit einer Hand erledigen. Am Tresen ließ er sich einen Espresso geben, brachte ihn an einen Tisch und ging zur Toilette.
Nachdem er
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