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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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mittleren Alters lugte durch den Türspalt. Drina winkte ihn herein, der Mann machte hier sauber. Es wirkte beruhigend, ihm bei der Arbeit zuzuschauen. Drina lächelte, als ihm der finnische Witz einfiel, wonach die Glückszahl der Zigeuner die Fuffzehn ist. Auf diesen Mann traf der Scherz allerdings nicht zu.
    Sein Colibri Quantum SST knackte leise, und die Drina brannte an. Das flammenlose, wasser- und windbeständige Butanfeuerzeug hatte in den Kriegsjahren ein Vermögen gekostet. Sollte er Jugović immer noch gehorchen? Er wußte, daß der Mann zu allem fähig war: Im Lager von Erdut hatte sich Jugović, um seine Männer zu erheitern, irgendwo Nervengift besorgt und mit dem Luftgewehr in das Gift getauchte Pfeile auf Kriegsgefangene abgeschossen. Das Gift wirkte innerhalb von ein paar Tausendstelsekunden – schneller als ein Nervenimpuls. Die Gefangenen waren tot, bevor sie umfielen.
    Drina murmelte leise vor sich hin. Buddha lehrte vierundachtzigtausend verschiedene Arten, wie man negative Gefühle zähmen und beruhigen konnte. Er wiederholte immer wieder das Vajragurumantra:
Om ah hum vajra guru padma
siddhi hum
. Das verlieh ihm innere Ruhe. Er sagte das ab und zu vor sich hin, obwohl man das Mantra wahrscheinlich nur beim Meditieren wiederholen mußte. Doch das dürfte ja kaum so wichtig sein. Warum sollte er das nicht so tun, wie er es wollte?
    Was für ein Spiel trieb Jugović? Jetzt erschien es Drina logisch, daß Jugović ihm verboten hatte, über die Morde an den Kommissaren zu reden. Wenn die Sache aufflog, stünde er allein als der Sündenbock da, das war ihm jetzt klar. Die Hinweise auf das »Freie Europa« hatten niemanden getäuscht. Vielleicht war es gerade das, was Jugović wollte: das Exekutionskommando opfern. Aber warum, zum Teufel? Er wußte einfach zu wenig.
    Der Zigeuner war mit seiner Arbeit fertig und verschwand leise. Das nächste Telefongespräch wird schwierig, dachte Drina bedrückt. Jetzt mußte er Pastor aus dem Exekutionskommando werfen. Er konnte nicht zulassen, daß sein Freund gefaßt wurde, noch einen Mißerfolg würde der nicht verkraften. Schon die Spielerei mit dem Farbspray in Sevilla hätte als Grund für den Laufpaß ausgereicht, aber das Phantombild von Pastor besiegelte seinen Entschluß. Das Bild des italienischen SISD wurde wahrscheinlich derzeit schon überall in Europa verteilt. Auch eine Maskierung würde nicht mehr unbedingt helfen, sobald die Polizei wußte, wen sie suchte. Pastor war jetzt eine zu große Gefahr für die ganze Operation.
    Er wollte jedoch mit Pastor sprechen, bevor er Ljubo die Anweisung gab, für Radmilo und Pastor zwei Männer aus der Gruppe, die ihre Aktionen unterstützte, in das Exekutionskommando aufzunehmen. Außerdem würde er Pastor auch wieder vom merkwürdigen Verhalten des Serben erzählen. Vielleicht glaubte ihm Pastor dann, daß jetzt alle Mitglieder des Exekutionskommandos in Gefahr waren.
    Die Tür ging auf, und eine schöne Frau, die vermutlichihren zwanzigsten Geburtstag noch vor sich hatte, betrat unsicher das Zimmer. Drina wußte, daß Jelena aus Georgien stammte. Gegen seine sonstigen Gewohnheiten hatte er danach gefragt, als er das Mädchen am Vormittag auswählte. Die rothaarige Jelena kam in seine Top-Ten der schönsten Schmuckstücke. Das Mädchen erzitterte leicht, als sie sein verstümmeltes Gesicht anschaute, aber diesmal war es Drina egal. Man konnte nicht alles haben.
    Drina betrachtete lächelnd die georgische Frau und zögerte. Es war kurz vor sechs. Sollte er Pastor jetzt anrufen oder erst, nachdem er sich näher mit Jelena bekannt gemacht hatte? Nachdem er sich entspannt hatte.
    Ohne anzuklopfen, betrat Attila Horvát das Zimmer und traf die Entscheidung für ihn. Das Lächeln des Ungarn entblößte dessen dunkle Zähne. Und irgendeinen Hintergedanken. Drina wußte nur nicht, welchen.
    Die Peitsche von Pest lud sich zu einem Bier ein.
     
    Horvát bereute seinen Besuch sofort, als er Drinas Arbeitszimmer verlassen hatte. Ferenc wartete im Mercedes auf der Váci utca, Horvát schob sich auf den Rücksitz und knurrte seinen Fahrer an, er wolle zur Margit sziget. Er mußte einen Augenblick in Ruhe nachdenken. Zum Glück war Drina so dumm, daß er keinen Verdacht hegen würde. Horvát befürchtete jedoch, daß er Jugović von seinem Besuch erzählte. Es könnte sein, daß der Serbe Lunte roch.
    Horvát fluchte in sich hinein, es ärgerte ihn, daß er sich mit solch einem seltsamen Paar abgeben mußte. Der eine war

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