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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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hatte keine Lust zu erklären, daß er stets vergaß, die Flaschen wegzubringen. »Warum bist du nach Finnland zurückgekommen?« fragte er.
    »Wir müßten über die Vergangenheit reden«, sagte Tapani Ratamo. Er wirkte verlegen, trommelte mit den Fingern auf den Tisch und schaute verstohlen zu einer Taube hin, die plötzlich auf dem Fensterbrett aufgetaucht war. »Ich will hier nichts lang und breit erklären. Also sage ich mal nur, daß mein Verhalten damals nicht allein am Tod deiner Mutter lag. Ich bin nämlich …« Tapani Ratamo fiel es sichtlich schwer auszusprechen, was er sagen wollte.
    Ratamo erwartete, daß sein Besucher jetzt von einer Krankheit erzählen würde, hoffentlich brach er hier nicht zusammen.
    »Ja also. Ich bin eigentlich nicht dein Vater«, murmelte Ratamo senior.
    Ratamo schaute seinen Vater entgeistert an. Die Behauptung war so absurd, daß er ungewollt lächeln mußte. Warum, um Himmels willen, hatte sich der Alte so eine Geschichte ausgedacht? War er jetzt völlig verwirrt, oder versuchte er den Komiker zu spielen? »Du nimmst doch nicht ernsthaft an, daß ich das glaube?«
    »So ungewöhnlich ist das nun auch nicht. Deine Mutter war schwanger, als wir uns das erstemal trafen. Und wir hatten beschlossen, es dir zu erzählen, wenn du zwölf wirst. Diese Last mußte ich dann allein tragen, als deine Mutter starb.«
    Ratamo wußte nicht, was er sagen sollte. Der Vater schaute ihn erwartungsvoll an, und Ratamo hoffte, der Alte würde in Gelächter ausbrechen. Das mußte ein Scherz sein. »Ist es dir recht, wenn wir dieses Gespräch ein andermal zu einem günstigeren Zeitpunkt fortsetzen? Vorausgesetzt, daß du das ernst meinst. Meine Maschine startet in einer reichlichen Stunde, und ich muß Nelli noch wegbringen. Marketta Julin beteiligt sich aktiv an Nellis Erziehung«, sagte Ratamo sarkastisch und bereute seine Worte sofort.
    »Die Vaterschaft kann mit einem DNS-Test leicht überprüft werden, wie du sehr wohl weißt. Ist es nicht so, daß auch die Polizei diese Tests nutzt?« Tapani Ratamo zahlte den Spott seines Sohnes mit gleicher Münze zurück. »Du bist doch heutzutage Ermittler, richtig bei der staatlichen Polizei.« Er konnte nicht verbergen, daß er Ratamos neuen Beruf mißbilligte.
    »Es ist die Sicherheitspolizei.«
    »Ruf an, wenn du einen Test machen lassen willst«, sagte Tapani Ratamo schon auf dem Weg zur Tür.
    Nelli tauchte in der Küche auf, gerade als Ratamo seinen Vater hinausbegleiten wollte. »Gib mir ein paar Euro, damit ich abends zum Kiosk gehen kann. Marketta kauft nie Bonbons«, sagte das Mädchen und zog einen Schmollmund.
    Ratamo holte Geld aus der Tasche, gab Nelli einen Fünf-Euro-Schein und ging in den Flur, wo er freilich nur noch hörte, wie die Tür geschlossen wurde. Er kehrte in die Küche zurück und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Manchmal geschah im Leben so viel auf einmal, daß man gar nichts anderes tun konnte, als alles zu akzeptieren und so weiterzumachen wie vorher. Welches Naturgesetz sorgte denn dafür, daß manchen Menschen alles mögliche passierte und anderen nichts?
    Verblüfft bemerkte Ratamo, daß er die Behauptung seines Vaters glaubte. Der Alte wäre ja wohl kaum nach Jahrzehnten des Schweigens in Ratamos Wohnung eingedrungen, um ihm Märchen zu erzählen. Ratamo erinnerte sich dunkel, gehört zu haben, daß sich seine Eltern vor ihrer Hochzeit nicht lange gekannt hatten.
    Sollte er die Behauptung seines Vaters überprüfen? Hätte das Ergebnis irgendeine Bedeutung? Über all das müßte er in Ruhe nachdenken. Irgendwann.
    30
    Die Augenlider öffneten sich ein paar Millimeter, wenn er all seine Kräfte sammelte, aber sie blieben immer nur für einen Moment offen. Eero Ojala roch das Desinfektionsmittel und begriff, daß er im Krankenhaus lag. Aus irgendeinem Grund sah er Ellis Selbstbildnis »Die Frau mit dem schwarzen Mund« vor sich, obwohl das Ölgemälde nichtzu seinen Lieblingsbildern gehörte. Es war das Ergebnis einer Selbstprüfung, das den Geruch des Todes trug und Anzeichen für das Ende von Ellis Laufbahn und Leben erkennen ließ. Die einstige Selbstsicherheit und Entschlossenheit schwanden bei der Fünfundsiebzigjährigen.
    Was war vor der Galleria dello Scudo geschehen? Ojala dachte angestrengt nach und erinnerte sich an die Männer mit dem Bürstenhaarschnitt, die dunkelhaarigen Angreifer und den Einschlag der Kugel in seiner Schulter. War er in eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Mafiagruppen

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