Finns Welt - 01 - Finn released
Lukas brummt, zieht sein Portemonnaie aus der dreckigen Hose und klatscht einen zerknitterten Fünfer in meine Hand.
Flo macht eine Notiz.
DAS GARAGENDACH
Nach dem Wald kommen die Weiden. Kühe stehen darauf, aber sie scheren sich nicht um uns Eindringlinge. Hinter dem Stacheldrahtzaun am Horizont sind die nächsten Häuser zu erkennen. Die Sonne brennt mittlerweile ordentlich; im Wald war es dank des dichten Blätterdachs kühler.
»Halb zehn in Deutschland. Zeit für Knoppers, das Frühstückchen«, zitiert Lukas die Fernsehwerbung und setzt eine Wasserflasche an seinen Mund.
»Hast du welche dabei?«, fragt Flo mit glänzenden Augen.
Lukas setzt die Flasche ab und prustet Wasser aus. »Bist du bescheuert? Als ob ich so was essen würde! Ich will Profisportler werden.«
»Was hast du denn dabei?«, fragt Flo ihn.
»Nix, nur Wasser und Isostar.«
»Isostar ist Chemiescheiße«, sage ich. »Da kannst du auch Apfelschorle trinken und hast mehr davon.«
»Ach, und was ist mit deinem geliebten Mezzo Mix, Herr Finn? Haben das alte Biobäuerinnen persönlich aus den glücklichen Orangen gepresst, oder was?«
Ich kann nicht anders, ich fange an zu lachen.
»Hast du Mezzo dabei?«, fragt Flo aufgeregt. »Oder was zu essen?«
Ich halte an. Eine Kuh blickt auf. Mir wird erst jetzt klar, worüber wir da eigentlich reden. »Äh, nein«, sage ich und mir wird noch wärmer. »Ehrlich gesagt dachte ich, ihr hättet …«
»Du dachtest, Flo hätte«, sagt Lukas, »weil er unser Fast-Food-Fresssack ist?! Was ist das denn für ’ne Logik, bitte schön?«
»Ich wollte Gepäck sparen«, erkläre ich. »Da zählt jedes Gramm. Und du siehst doch, die Gartenschere hab ich schon gebraucht.«
»Ihr habt gar nichts zu essen dabei???«, jault Flo und gerät langsam in Panik. »Ich auch nicht!«
Oh, oh. Das war so nicht geplant.
»Guckt euch meinen Rucksack doch an«, jammert Flo und dreht sich um, »da ist nur das Notiz- und Regelbuch drin. Und ein Stift. Und Klopapier.«
»Klopapier?« Lukas schreit fast.
»Ja, sicher«, sagt Flo. »Wenn wir mindestens zwölf Stunden unterwegs sind, muss ich eben irgendwann mal. Ich geh zu Hause bis zu vier Mal am Tag. Wenn ich auf dem DS ein gutes Spiel zocke, sogar sieben Mal. Oder mehr. Bei Dragon Quest IX gehe ich sogar neun Mal ka …«
»Bah, du Ferkel!«, unterbricht Lukas ihn.
»Ach, deswegen heißt es Dragon Quest IX« ,kichere ich. Dann sehe ich Flo wieder besorgt an. »Und du hast wirklich nichts zu essen dabei?«
»Nein. Ich selbst bin doch schon schwer genug. Ich bin froh, wenn ich meinen eigenen Körper durchgeschleppt kriege.«
Wir stehen ratlos auf dem Feld. Lukas stemmt die Arme in die Hüften. Flo schaut zu einer Kuh. »Die isst du aber nicht«, kommentiert Lukas.
»Ha, ha«, brummelt Flo.
»Weiter«, sage ich und zeige zu den Häusern am Horizont, »da vorn kommt wieder Zivilisation. Vielleicht finden wir was.«
Der Stacheldrahtzaun am Ende der Weide ist kein Problem, da wir alle unter dem untersten Straps durchkriechen können. Wir stehen an einer schmalen Straße. Vor uns liegt ein Privatgelände mit großem Haus und breiter Doppelgarage. Ich beuge mich hinab, reiße etwas Grünzeug aus dem Boden und esse es.
»Bah, was machst du denn?«, sagt Lukas. »Frisst du jetzt Gras wie eine Kuh?«
Ich schmunzle beim Kauen. Ich wusste, dass die Jungs nicht wissen, was das ist. »Das ist kein Gras«, sage ich und pflücke mir mehr, »das ist Vogelmiere. Kann man sogar Salat draus machen.« Lukas guckt skeptisch. »Probiert mal.«
Lukas nimmt sich einen Strang und kaut, erst zaghaft, dann kräftig. Er lächelt. »Das ist gut«, bestätigt er. »Nimm auch«, sagt er zu Flo.
»Nee, ich hab jetzt Knoppers im Kopp.«
»Knoppers wächst hier aber nicht, also iss.«
»Ihr wisst nicht, wie das ist«, sagt Flo, »wenn ich einmal ein bestimmtes Essen im Kopf habe, will ich das haben. Alles andere regt mich dann nur auf.«
»Meine Güte!« Lukas verdreht die Augen.
»Dann betrachte es nicht als Essen«, schlage ich vor, »sondern als reines Energie-Item. Da sind Ballaststoffe drin, das macht dich satt. Das ist eine Quest, da musst du irgendwie Energie auffüllen.«
Das Argument mit dem Item zieht, wie jedes Argument, das mit Computerspielen zu tun hat. Flo isst ein paar Stränge und packt sich einige Büschel in seinen leichten Rucksack. Wir trinken noch einen kräftigen Schluck Wasser und wenden uns unserem nächsten Hindernis zu. Das Haus ist locker zehn Meter breit. Die
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