Finns Welt - 01 - Finn released
Piqué spiele ich nicht. Der ist mir zu gut.«
»Soll ich wieder einen Computerspielvergleich machen?«, fragt Flo.
»Für Räuberleiter ist das Gebäude sowieso zu hoch«, sage ich. Am Rande unseres Korridors entdecke ich einen Altpapiercontainer auf Rollen, der an der Mauer steht. »Wenn wir den rüberziehen, raufklettern und dann darauf Räuberleiter machen, müsste es klappen.«
»Was ist mit Paragraf zwölf in meinen Spielregeln?«, wirft Flo ein. »Da steht: Zwingt ein außerordentlicher Umstand (z. B.: Kampfhund) die Gruppe zur Flucht, darf sie den Korridor kurzfristig verlassen.«
»Siehst du hier irgendwo einen Kampfhund?«, fragt Lukas.
»Kampfhund ist nur ein Beispiel«, sagt Flo.
»Also gut«, meint Lukas, »siehst du hier irgendwas anderes, was uns gefährden könnte? Oder krabbelt hier irgendwo eine Spinne rum, die ich übersehen habe?«
Flo schaut zum Container und dann hinauf zum Dach. »Okay«, gibt er sich geschlagen. »Wir sind uns aber einig, dass uns die Regeln erlauben, innerhalb des Korridors vor- und wieder zurückzugehen?«
»Ja«, sagt Lukas, »das hat Finn doch schon gemacht, als er sich im Wald seine Bachstelze geschnitzt hat.«
Flo sieht auf die graue Tür vor unserer Nase. »Das heißt also auch, dass der Lagerraum, der sehr wahrscheinlich hinter dieser Tür liegt, auf einer Breite von sieben Metern noch zu unserem Korridor gehört?«
Lukas versteht, worauf er hinauswill. »Oh, nein!«
»Und das heißt«, lässt Flo sich nicht beirren, »wir könnten da theoretisch reingehen, wieder rausgehen und dann den Weg übers Dach nehmen und wären die ganze Zeit weiterhin im Areal unserer Quest?«
Lukas sieht nach rechts über den Platz, schüttelt lachend den Kopf und reibt sich den Nacken. Ich nicke und sage: »Das wäre alles erlaubt, Flo.«
»Dann will ich jetzt ein Pfund Knoppers!!!«, plärrt Flo, halb im Scherz und halb ernsthaft. Lukas seufzt und rüttelt an der Tür. Sie ist natürlich zu. »Gut«, sagt er, »großer Gamer. Hast du deinen Universalschlüssel dabei oder bevorzugst du einen Öffnungszauber?«
So kann das nicht weitergehen, denke ich mir. Außerdem habe ich selbst Hunger. Ich überlege mir was. Es dauert zwanzig Sekunden, dann bin ich mit Überlegen fertig und klopfe laut bollernd vor die Tür. »Was soll das denn?«, fragt Lukas noch, da geht die Tür schon auf. Eine junge Frau mit schmalem Mausgesicht, hohen Wangenknochen und straff gebundenem Zopf öffnet. Sie trägt einen blauen Kittel mit einem Namensschild darauf.
»Frau Flips, endlich!«, sage ich laut. »Wir dachten schon, Sie machen gar nicht mehr auf.« Sie guckt fragend. Das ist gut. Wäre sie die Filialleiterin, würde sie böse schauen oder gestresst. Sie guckt aber fragend. Also ist sie bloß eine normale Angestellte.
»Ich weiß, dass wir eigentlich erst am Montag zum Probearbeiten für den Schülerjob kommen sollen, aber der Chef meinte, es wäre gut, wenn wir uns heute schon mal einen ersten Eindruck verschaffen.«
Frau Flips guckt jetzt noch verwirrter, was aber auch daran liegen kann, dass wir garantiert aussehen wie die letzten Heckenpenner – verschwitzt, verdreckt und zwei von uns quasi in voller Kampfmontur.
»Ich, also … ich weiß nichts von Schülerjobs.«
Ich lache, beuge mich zurück und schaue links und rechts das Gelände hinab. »Es hört keiner mit, Frau Flips«, sage ich.
»Wie?«
»Ja, ich weiß, dass Sie offiziell so tun müssen, als wüssten Sie nicht, worüber ich rede.« Die arme Frau sieht mich an, als stünde ich in einem lila Hühnerkostüm vor ihr. Ich weiß manchmal gar nicht genau, was ich dabei empfinde, wenn ich Leute so verarsche. Sie tut mir auch leid, die junge Frau, ich sehe ihr die Verunsicherung an und ich will niemanden demütigen, aber gleichzeitig macht es Spaß – und außerdem knurrt mein Magen wie ein ausgewachsener Bär. Also mache ich weiter. »Junge Teenager? Schwarzarbeit? So was darf natürlich nur heimlich ablaufen. Ich weiß. Dafür verdienen wir ja auch nicht viel.«
Frau Flips schaut zur Seite und inspiziert eine Palette Klopapier, als fände sie dort eine Antwort auf die drei rätselhaften Jungs, die vor der Tür stehen. »Wartet hier«, sagt Frau Flips und verlässt das Lager. Die anderen trauen ihren Augen nicht. »Los!«, sage ich und Flo stürzt in den Raum wie ein kleiner, puscheliger Zootiger bei der Fütterung. Lukas sieht sich bedächtiger um. Präzise packt er eine Tüte H-Milch, ein ganzes Bündel Bananen und eine Salami
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