Finns Welt - 02 - Finn reloaded
hängt. Seine Beine knicken weg, seine Finger verhaken sich in der Fassung und mit einem lauten Knirschen bricht der Putz aus der Decke. Weißer Staub rieselt auf Robin herab, der jetzt am Boden liegt. Elvar springt aus dem Wohnzimmer herbei und guckt grimmig wie ein Wikinger.
»Ein Barbar!«, kreischt Sophia jetzt und ich frage mich, wie sie auf so was kommt. Wir sind doch hier nicht im Kino oder im Kindergarten, es ist doch nur ein großer Isländer, aber mein Vater glaubt wohl auch, es mit einem Barbaren zu tun zu haben, und beginnt, mit der flachen Seite des Stahllineals auf den Riesen einzudreschen. Elvar reißt die Arme hoch und das schwere Lineal patscht mehrfach auf seine verletzte Hand. Neues Blut spritzt an die Tapete.
Langsam ist es wirklich wie in einem Videospiel, lauter animierte Krieger in einem schmalen Flur und am Bildschirmrand die Punkte, die sie verlieren.
Sophia huscht an dem Kampfgeschehen vorbei, um einen Blick in ihr Wohnzimmer zu werfen. »Sie haben alles verwüstet!«, ruft sie, »der Buddha liegt auf dem Boden, Glasscherben, überall Blut. Sie haben ein Loch in meine Tapete geschnitten. Oh, und wir haben noch ein paar kleine Besucher.«
Dirk, der nur kurz zur Toilette war, spült ab und öffnet die Klotür. Stefan Lindner ruft: »Im Klo ist auch noch einer!«, und hebt die Latte. Ich frage mich, ob sie uns Jungs zwischen den großen Männern einfach nicht sehen oder ob sie glauben, wir hätten den bösen Einbrechern freiwillig die Tür aufgemacht.
Flo schnauft, rennt die Treppe rauf, kommt mit einer Cowboypistole vom Karneval wieder herunter und ballert einen ganzen roten 12er-Ring leer, bis die bekloppten Erwachsenen aufhören, sich gegenseitig niederzumetzeln. Meine Ohren piepen. Der Flur stinkt nach Spielzeugschießpulver. Flo steht erhöht auf der fünften Treppenstufe über uns allen wie ein Pfarrer auf der Kanzel und gebietet: »Hört auf!«
Alle sehen ihn an. Stefan Lindner atmet schwer. Robin hält sich das Bein. Elvar hält sich die Hand. Dirk hält eine Ausgabe der TV Movie in der Hand, die er beim Kacken gelesen hat.
Flo sagt: »Mama! Was glaubst du, was wir hier machen? Denkst du, wir sind losgezogen und haben absichtlich nach besonders großen Männern gesucht, damit sie dich ausrauben und deine Tapete aufschneiden?«
Sophia sieht ihren Sohn an. Da er auf der Treppe steht, muss sie zu ihm aufschauen. Das hat Flo bestimmt nicht vorher so geplant, aber wenn, wäre es sehr clever gewesen. Stefan Lindner lässt die Latte sinken. Robin rappelt sich vom Boden auf.
»Guck sie dir doch an, Mama! Du musst sie doch erkennen.«
»Diese Männer? Woher?«
»Aus dem Schwimmbad! Den Thermen! Die sind vom Verein, der im Sportbecken trainiert, während du draußen in der Sole Aqua-Thai-Chi machst.«
Sophia schaut sich Robin genauer an. Sie erinnert sich an die trainierenden Sportler, das sehe ich in ihrem Blick. Sie hätte sie nur niemals mit diesen »Einbrechern« verbunden. Ich überlege schon fieberhaft, wie ich Sophia das Durcheinander erklären soll, da kommt mir Flo zuvor. Er beichtet einfach mit knappen Worten, was wir vorhatten. Der Wettkampf. Die Quest Werde tauglich für Sophia.
Sie hört es sich an. Mein Vater und Stefan Lindner müssen lachen. Elvar lacht auch, wie ein Wikinger, dem der Helm zu tief ins Gesicht gerutscht ist. Sophia lacht nicht. Im Gegenteil. Sie steigt die Treppen hinauf, bis sie ihren Flo wieder an Größe überragt, sieht ihn streng an und sagt: »Das ist mein Haus und mein Leben. Du kannst nicht einfach fremde Männer herholen, eine Olympiade im Lampenmontieren und Insektenfangen mit ihnen machen und dann sagen: ›Hier ist der Sieger, Mama! Den musst du jetzt heiraten!‹ So geht das nicht. Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden.«
»Du hast da immer alle Wörtchen mitzureden!«, wehrt sich Flo und tupft mit der Hand unsichtbare Buchstaben in die Luft, »alle Wörtchen, von der ersten bis zur letzten Seite.«
Robin wendet sich an Sophia und sieht die Treppe hinauf: »Erlauben Sie mir, wenigstens das wieder in Ordnung zu bringen.« Er zeigt auf das Loch in der Decke.
»Wieso dir?«, sagt Dirk. »Wir haben alle noch unsere Strahler.«
Sophia hebt ihre zarte, lange Hand und schließt die Augen wie eine Schauspielerin, der alles zuviel wird. »Es sind meine Strahler«, sagt sie. Dirk verstummt. Sophia öffnet ganz langsam die Lider, atmet tief ein und aus und sagt: »Okay. Es muss ja ohnehin gemacht werden. Sie räumen das Wohnzimmer auf
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