Finns Welt - 02 - Finn reloaded
als wären die Minzblätter welk geworden. Das Monster in der Wand verstummt.
»Ein Defekt im Rohrsystem«, erklärt Heiner. »Manchmal rappelt es, manchmal nicht. Ich hätte das längst selbst repariert, aber das ist nicht so einfach. Da muss die ganze Wand aufgeschlagen werden.«
Ich atme innerlich auf. Endlich ein Grund, den Wert für MECHANICS auf 9 von 10 zu senken. Ich gönne Heiner ja die Höchstwerte, wirklich. Es ist nur so, dass man selbst bei Marvel den Charakteren nicht einfach so die volle Punktzahl hinterherschmeißt. Sogar Wolverine hat dort bei STRENGTH nur 6 von 7. Man muss schon der Hulk sein, um die volle Wertung zu kriegen. Oder Thor, ein Gott.
»Oh nein«, sagt meine Mutter. »Wenn das Rohr in der Wand repariert werden muss, klopfen sie dir den ganzen schönen Marmor auf.«
»Ja, eben.«
Sophia legt Heiner die Hand an die Wange, um ihn zu trösten. Sie kann wohl verstehen, dass er sich schwer damit tut.
»Ich kenne da eine Firma, die das gut machen könnte«, sagt Stefan. »Ich gebe dir den Kontakt.«
»Danke«, sagt Heiner.
»Also, Zelten im Wald ist abgemacht?«, lenkt Stefan das Thema wieder zurück. Alle nicken.
»Dann ein Hoch auf die echten Männersachen!«, sagt Stefan. Heiner hebt das Glas. Die Frauen lächeln, als wären wir allesamt nur große, verspielte Jungs.
DIE MATHEPEST
Nur noch ein Tag bis zum Zelten. Morgen geht’s in den Wald. Wir sind auf dem Heimweg von der Schule. Lukas und ich tragen Schande im Rucksack. Die Mathearbeit. Ich habe eine Fünf, er eine Vier minus. Unsere Werte für MIND sind massiv gesunken. Wären wir Figuren in einem Spiel, würden unsere Rucksäcke jetzt dampfen und modern. Flos Rucksack hingegen würde golden glitzern. Er hat eine Eins kassiert. Natürlich.
»Ich verstehe nicht, was ihr an Mathe so hasst«, sagt er. »Klare Aufgaben, klare Lösungen. Das ist doch viel ehrlicher als in den Laberfächern. Du hast ein Problem und es gibt einen Weg, es zu lösen. So eine Mathearbeit ist wie ein Logikrätsel bei Professor Layton auf dem DS. Im Grunde ist Mathe nichts anderes als eine …«
Lukas hebt ruckartig die Hand und klatscht sie Flo vor die Brust. Wir bleiben stehen.
»Flo, sag jetzt nicht, Mathe wäre wie eine Quest. Wenn du das behauptest, tue ich so, als wäre ich auf dem Fußballplatz und müsste zum Kopfball hochsteigen. Und dann ramme ich dir ganz aus Versehen den Ellbogen in die Zähne.«
»Flo hat sich nur im Alphabet vertan«, sage ich. »Mathe ist keine Quest, Mathe ist eine Pest.«
»Warte, das muss ich an die Pinnwand kleben«, sagt Lukas, zückt sein Handy und packt meinen Spruch auf Facebook. Lukas ist der Einzige von uns, der dort einen Account hat. Flo hat viel zu viel mit World of Warcraft zu tun und ich bewege mich, wenn ich im Netz bin, lieber mit Google Earth über die Level-Landkarte der echten Welt. Lukas meint, als Sportler braucht man Facebook. Schließlich haben die Profis alle ein Profil. Vor allem die jungen.
Wir gehen weiter. In unserer Straße steht der große Lkw von Stefan Lindners Dachdeckerfirma vor der Tür. Lukas’ Vater kommt mit einem kleinen Koffer aus der Haustür. Seine Angestellten Daniel und Marek laden zwei Kästen Sprudel in den Truck.
»Och nein«, sagt Lukas. »Ein Koffer und Sprudel in Kästen. Das heißt, dass Papa am Wochenende einen Notauftrag hat.«
»Aber am Wochenende wollen wir in den Wald zum Männerzelten«, sagt Flo.
»Eben«, bestätigt Lukas, den Blick fest auf seinen Vater gerichtet. Er geht auf ihn zu.
Stefan Lindner hebt die Hände. »Jungs, es tut mir so leid. Aber gestern hat ein Sturm im Bergischen Land komplett ein Pfarrheim abgedeckt. Das müssen wir reparieren.«
»Das Waldwochenende war deine Idee, Papa!«
»Ich weiß, aber das hier ist mein Beruf. Da kommt es schon mal vor, dass …«
»Ach, Scheiße!«, schimpft Lukas. »Fußballspiele werden auch nicht einfach so abgesagt.«
»Nicht in diesem Ton, mein lieber Freund!« Lukas’ Vater kann von jetzt auf gleich laut werden. Als hätte man den Regler direkt von 15 auf 50 gestellt, ohne Übergang. Er seufzt, dreht sich um und küsst Anja in der Tür zum Abschied. Im Hintergrund klirrt es in der Küche. Es klingt, als ob Alex und Venja eine Salatschüssel mit ihren kleinen Händen hochgestemmt und an der Wand zerschmettert haben.
Stefan steigt auf das Trittbrett des Lkw und sagt: »Mir macht es auch keinen Spaß, am Wochenende zu arbeiten. Aber was muss, das muss. Bis Montag.« Er schließt die Tür und Marek
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