Finns Welt - 02 - Finn reloaded
erklärt, obwohl sie die Erwachsene ist.
»Ich habe Akten aus meiner Wohnung geholt. Man kann ja nicht alles mit ins Hotel nehmen, auch wenn es hier aussieht wie auf dem Schlachtfeld. Allein der ganze Staub vom Bohren. Ekelhaft.«
»Mein Onkel Dietmar sagt, dass wir uns schon mal daran gewöhnen sollen. Nach der Schule fangen wir eine Klempnerausbildung an. Er nimmt uns ab und zu mit auf die Baustellen, um schon mal ein Gefühl dafür zu entwickeln.«
Flo kommt zur Tür, weil er merkt, dass ich die Lage im Griff habe, und weil er sich einfach freut. Er strahlt wie Bob, der Baumeister.
»Habe ich doch gleich gesagt, dass Heiners Wohnung wirklich überschwemmt wurde!«
Die Frau rückt den Stapel Ordner gerade, der unter ihrem schmalen Arm klemmt, und fragt: »Heiner? Ihr meint den Barkeeper? Robins Kumpel, der sich ab und zu die Wohnung für Partys leiht?«
Flos Baumeistergesicht erstarrt.
Ich frage: »Haben Sie gerade Robin gesagt?«
Die Nachbarin nickt.
»So hieß der Typ vom Schwimmverein«, sage ich und Flo verzieht das Gesicht, als würde ich ihm Zitronensaft in Wunden träufeln. »Der Letzte, der die Quest verloren hat. Er bekam die Lampe nicht montiert.« Die Nachbarin versteht nur Bahnhof.
»Mist!«, ruft Lukas in der Wohnung, denn der Stapel Kisten, in denen er aus Spaß nach Poldi gesucht hat, kippt um. Scheppernd verteilt sich der Kram auf dem Holzboden.
»Wenn Robin dem Heiner ab und zu seine Wohnung leiht, wo wohnt dann normalerweise der Heiner?«, frage ich.
»Im Hotel, soweit ich weiß. Viele der kleinen Angestellten haben Zimmer dort.«
»Heiner ist kein kleiner Angestellter!«, schreit Flo. »Heiner ist Barchef!«
»Nein«, lacht die Nachbarin. »Er ist ein ganz normaler Barkeeper. Deswegen leiht er sich ja gelegentlich Robins Wohnung. Oder seinen Pick-up. Es macht sich bei den Frauen nicht gut, wenn sie sehen, dass der coole Barmann nur einen Fiat Punto fährt und im Hotel in einem kleinen Einzelzimmer wohnt. Zuletzt hat er sich die Wohnung allerdings für mehrere Wochen am Stück ausgeliehen. Habe ich gehört. Robin vertrat den Barchef der Hotelfiliale in Madrid. Ich bin erst vor ein paar Tagen aus dem Urlaub wiedergekommen.«
»Einen Fiat Punto???«, kreischt Flo.
»Was ist denn hier los?«, fragt Lukas.
»Noch ein Neffe«, sagt die Nachbarin.
»Entschuldigen Sie uns bitte«, sage ich höflich, aber bestimmt und schließe die Wohnungstür, als hätten wir ein Recht, uns hier einzuigeln. Flo brüllt einen orkgleichen Laut und tritt gegen die Plastikschüsseln, Werkzeuge und Schachteln am Boden.
»Hey!«, sagt die Nachbarin und klopft. »Macht auf oder ich rufe Robin an. Ihr seid nicht die Neffen des Klempners!«
»Mir sind die Kisten umgekippt«, sagt Lukas. »Was ist denn passiert?«
»Heiner wohnt nicht hier!«, tobt Flo und schlägt mit der Faust gegen die Holzverkleidung der Bar. »Der Schwimmer wohnt hier. Robin. Sie kennen sich. Bist du jetzt zufrieden, Finn? Ist dir das Verschwörung genug? Bist du jetzt zufrieden?«
Ich erinnere mich an die durchwühlten Papiertonnen und die Geschichte, die Vivien mir erzählt hat: »Nirgendwo erfährt man mehr über einen Menschen als durch seinen Müll.« Mein Blick wandert über die Sachen, die auf dem Boden liegen und in den Kisten stecken. Was hier gerade rumliegt ist zwar kein Müll, aber das unsortierte Zeug eines Mannes, der nicht so ordentlich ist wie der, dem die Wohnung gehört. Vor der Tür krakeelt die Nachbarin: »Es ist auch Einbruch, wenn die Wohnung gerade eine Baustelle ist und die Tür offen steht!«
»Guck mal«, kommt Lukas mir zuvor, der auf den Boden guckt, weil ich auf den Boden gucke. »Was ist das denn?« Er hebt eine Packung mit Papprücken und Kunststoffhülle auf, auf der eine Maus abgebildet ist. Darin befindet sich eine graue, viereckige Kunststoffröhre mit Klappe. Auf der Packung steht »Trip Trap – die freundliche Mausefalle«.
»Das ist eine Lebendfalle«, sage ich. »Damit fängt man Mäuse, ohne sie zu töten.«
»Hier sind noch mehr davon«, sagt Flo. »Und die sind schon offen.« Er klingt so bitter und enttäuscht, dass der Bagger in meinem Inneren die Steine wieder auf mein Herz schaufelt. Und noch einen riesigen Felsen obendrauf. Als Heiner die Mäuse verjagt hat, benutzte er keine Lebendfallen. Er sprühte einfach nur das Mittel in die Höhlen und sie liefen über Nacht fort.
»Warum will man so viele Mäuse lebendig fangen?«, fragt Lukas.
»Um sie woanders wieder auszusetzen«, vermute
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