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Finsterau

Finsterau

Titel: Finsterau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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der, der es getan hat, der würde noch frei herumlaufen. Ich hab geglaubt, das ist ein Spinner, aber heut in der Früh hat die Roswitha das Portemonnaie gefunden. Wie ich mir das Foto angeschaut habe, da hab ich meinen Augen nicht getraut. Ich hab mir gedacht, das bist doch du, Augustin, dahinten halb verdeckt, hab ich recht?«
    »Ja, das bin ich. Und du wirst lachen, ich kann mich noch erinnern, das war mein erster Fall vor Gericht gleich nach der Assessorenprüfung. Die Sache war ziemlich eindeutig. Aber was der gestern erzählt hat, interessiert mich jetzt schon.«
    Und so berichtete Hermann Müller von dem Vorfall, und Dr. Augustin hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Augustin blieb danach noch eine Weile sitzen. Ungewöhnlich ruhig und nachdenklich war er geworden. Er trank sein Bier aus und ging nach Hause.
    Auch den Rest des Tages benahm er sich anders als sonst. Wenn er für gewöhnlich am Samstag nach dem Frühschoppen nach Hause kam, setzte er sich an den Tisch, aß zu Mittag und ging danach mit der Zeitung ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich aufs Sofa, studierte das Blatt eingehend, um sich dann, mit sich und der Welt zufrieden, zu einem Schläfchen hinzulegen. Doch an diesem Tag ließ er das Essen auf dem Tisch kalt werden und ging sofort in sein Arbeitszimmer. Er durchsuchte die Regale nach alten Unterlagen; als er das Gesuchte nicht fand, wanderte er unruhig im Zimmer herum. Schließlich verließ er den Raum, zog sein Jackett über und fuhr hinüber in sein Büro. Dort blieb er bis in die späten Abendstunden, über alte Unterlagen gebeugt, sitzen.
    Gleich am Montagmorgen wies er seine Mitarbeiter an, sich erneut mit dem Fall zu befassen.

Johann
    D er Gendarm rutschte unruhig auf dem Küchenstuhl hin und her. Johann konnte ihm ansehen, wie unwohl er sich in der Uniform fühlte, die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Von Zeit zu Zeit wischte er sie sich mit einem Taschentuch trocken. Dann sprang er plötzlich auf und sagte, er müsse schnell mal hinausgehen, »auf siebzehn, zum Biesln«, und er, Johann, solle auf seinem Platz bleiben und keine Dummheiten machen, denn auch wenn er jetzt kurz austreten müsste, so würde er ihn doch weiter im Auge haben.
    Anfangs blieb der Alte auf seinem Stuhl sitzen und wartete. Genau so, wie es der Polizist ihm gesagt hatte, doch dann fiel sein Blick auf Afra, die immer noch auf dem Sofa lag. Ihre Kleidung war ganz rot vom Blut. Was sollte er Theres sagen, wenn sie zurückkam? Die Leichenfrau musste kommen und Afra waschen. Ganz viele Dinge waren zu erledigen, die Kirche, die Beerdigung. Was würde aus Albert werden? Er musste etwas tun, er konnte nicht auf dem Stuhl sitzen bleiben und die Zeit verrinnen lassen. Theres würde nicht verstehen, dass er nur dasaß und nichts tat.
    Der Alte stand von seinem Stuhl auf, er hatte einen Entschluss gefasst, er würde hinübergehen in die Kammer und von dort frische Kleider für die Tochter holen. Wenn sie sie in den Sarg betten würden, sollte sie anständig angezogen sein. Keiner im Dorf sollte sagen können, er hätte sie gehen lassen ohne ihre Sonntagskleider.
    Er würde das dunkelblaue Kleid holen, das mit dem Spitzenkragen, und frische Strümpfe. Er würde alles herrichten für die Totenfrau. Damit sie sie waschen und verrichten konnte. Den Rosenkranz und ihr Gebetbuch musste er zurechtlegen und den Spiegel verhängen.
    Theres wäre in diesen Dingen viel geschickter, aber er konnte nicht warten. Jeden Moment konnten sie hier sein und die Tochter mitnehmen. Er musste alles bereit haben.
    Johann Zauner ging zur Küche hinaus über den Fletz in die Kammer. Das Zimmer war nicht so ordentlich, wie es sonst Afras Art war. Der Schrank stand ein Stück offen, die Wäsche hing zum Teil aus den Fächern oder lag verstreut auf dem Boden. Er bückte sich, hob sie auf, versuchte, so gut es ging, die Sachen zurück in den Kasten zu legen. Er schloss die Tür, ging dabei einen Schritt zur Seite und stieß gegen den Nachttisch. Ein Schuhkarton, den er zuvor dort gar nicht hatte stehen sehen, fiel herunter, schlug auf den Boden. Afras ganze Habseligkeiten lagen verstreut um ihn herum. Briefe, Knöpfe, Haarnadeln und ihr Rosenkranz, selbst das Gebetbuch lag aufgeschlagen da.
    Johann Zauner kniete sich umständlich auf den Boden, sammelte als Erstes die aus dem Gottesdienst gefallenen Sterbebilder wieder auf und legte sie mit dem Gebetbuch zurück auf den Nachttisch, wo es hingehörte. Ebenso den Rosenkranz. Er musste beides mit in

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