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Finsterau

Finsterau

Titel: Finsterau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Bleichen auf der Wiese ausgebreitet hatte, setzte auch sie sich in die Sonne und sah dem Buben dabei zu, wie er versuchte, mit einer dünnen Gerte die Nachbarsgänse zu vertreiben, damit sie nicht über die ausgebreitete Wäsche liefen. Von Zeit zu Zeit stand sie auf und wässerte die zur Bleiche ausliegenden Stücke, bis sie schließlich am Abend alles wieder in die Wanne legte, um es am nächsten Morgen zum Trocknen aufzuhängen.
    Als sie gerade dabei gewesen war, alles zusammenzuräumen und mit dem Buben ins Haus zu gehen,waren zwei Wanderburschen am Hof vorbeigekommen und hatten sich nach einer Bleibe für die Nacht erkundigt. Der eine der Burschen erinnerte sie ein wenig an Alberts Vater, es war weniger sein Aussehen, eher die Art und Weise, wie er sie ansah und dabei lächelte. Sie hatte sich mit ihnen noch ein bisschen unterhalten und sie dann weitergeschickt hinüber zum Nachbarn. Danach war sie mit dem Kind ins Haus gegangen, die Abendsuppe herrichten. Noch während sie damit beschäftigt war, war Albert auf dem Kanapee in der Küche eingeschlafen, und sie trug das schlafende Kind in die Kammer hinüber, ohne es zu wecken.
    Afra atmet tief durch. Warum können nicht alle Tage so unbeschwert sein wie der vergangene? Dann steht sie auf, zieht sich leise an, um Albert nicht zu wecken, und geht in die Küche.
    Draußen vor dem Fenster beginnt es nun endlich Tag zu werden. Sie zögert, soll sie das Licht in der Küche noch einschalten? Die Hand bereits am Schalter, beschließt sie, es bleiben zu lassen, läuft im Dämmerlicht hinüber zur Höll neben dem Küchenherd, nimmt Zündhölzer, Papier, Reiser und Holzscheite, öffnet die Ofentür und schürt den Herd an. Sie greift nach der hölzernen Schale im Regal und geht in die Speis. Auf der Fensterbank steht der Milchweitling. Afra schöpft die gestockte Milch aus dem irdenen Gefäß in die kleine Schüssel. Füllt diese bis zum Rand. Vorsichtig und darauf bedacht, nichts zu verschütten, geht sie wieder hinaus in die Küche. Dort stellt sie die Schale mit der Morgensuppe auf den Tisch, dazunoch etwas Brot zum Einbrocken. Afra nimmt den Löffel aus der Tischschublade und legt ihn daneben. Sie sitzt da und wartet. Von draußen hört sie leise die Stimmen der anderen. Jeden Augenblick können der Vater oder die Mutter die Küchentür öffnen. Sie kann sich denken, was passieren wird, wenn sie hereinkommen. Die Mutter wird ihr wieder Vorhaltungen machen, weil sie gestern nicht in der Kirche war, nicht einmal zur Abendandacht ist sie gegangen, und darüber lamentieren, wie sie sich geschämt hat vor dem ganzen Dorf und den Verwandten. Der Vater wird sie ermahnen, sich anständig hinzusetzen und das morgendliche Dankgebet mit ihm zu sprechen.    
    Sie wird sich schlecht fühlen, von klein an haben sie ihr das Gefühl gegeben, unrecht zu tun oder zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Nichts macht sie richtig in den Augen der Eltern. Sie weiß, wie hart es die Mutter ankommt, wenn sie nicht betet, nicht in den Gottesdienst geht. Aber sie will nicht, sie wird es nicht tun. Warum sollte sie? Soll sie danken dafür, dass sie jeden Tag aufs Neue um die einfachsten Dinge kämpfen muss? Wer ist dieser Gott, der ihr so ein Leben aufzwingt? Sie hasst die Armut, die Enge. Aber am meisten ist ihr die untertänige Obrigkeitshörigkeit ihrer Eltern zuwider. Das »Was werden die Leute sagen, Kind? Hast nicht schon genug Schande über uns gebracht? Warum kannst du nicht den geraden, aufrechten Weg gehen?«.
    Zornig schiebt sie die Schale mit einem Ruck zur Seite, schert sich nicht um die überschwappende Milch und steht vom Tisch auf.
    In diesem Moment betritt der Vater die Küche. Afra sieht ihn nicht an, grüßt ihn nicht, drängt sich an ihm vorbei.
    »Wo willst du hin? Wird in diesem Haus nicht mehr gegrüßt? Hier leben immer noch anständige Menschen«!, ruft er ihr nach.
    Sie erwidert leise, ohne sich zu ihm umzudrehen: »Rutsch mir doch den Buckel runter, du alter Depp.«

Johann
    S ie hatten ihn nicht gehen lassen. Er hätte es wissen müssen, es war wie damals gewesen. Sein ganzes Leben hatte er versucht, unbescholten und fromm zu sein. Genau wie seinerzeit hatten sie ihn mitgenommen und nicht wieder gehen lassen.
    Der Bub, er war immer zwischen seinen Beinen herumgelaufen, war immer im Weg gewesen. Und sie, sie hatte ihn verzogen. Es war nicht richtig gewesen von der Afra. Nicht richtig.
    Er ging in der Zelle auf und ab, er konnte sich nicht setzen. Er konnte auch

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