Finstere Propheziung
den Regenbogen. Aber nichts geschah, nichts veränderte sich. Dann spürte sie wieder, wie eine Hitzewelle in ihr aufstieg. Vorsicht, dachte sie, nicht zu viel ... Cams Augen brannten und begannen zu tränen. Der Regenbogen verschwamm.
Sie blinzelte verzweifelt und versuchte, ihren Blick wieder scharf zu stellen. Und dann geschah es, sie konnte sehen, wie es geschah. Nach und nach wurden die Farben in Jennys Regenbogen lebhafter, begannen zu glänzen, zu glitzern, zu glühen! Hervorragend! Über der gelbhaarigen Marleigh-Figur wölbte sich nunmehr ein strahlend leuchtender Regenbogen. Cam war schon im Begriff, sich volle Punktzahl zu geben, als sie auf ein Problem aufmerksam wurde. Das verzauberte Bild hing noch an der Wand. Jenny sah es gar nicht. Im Gegensatz zu Alex. Die sich daran erinnerte, wie sie einmal durch die Kraft ihrer Gedanken einen Löffel zum Fliegen gebracht hatte. Aber würde ihr Wunsch, einem ängstlichen Kind zu helfen, ebenso mächtig sein wie ihr damaliger Zorn auf Beeson ? War es möglich, etwas durch Liebe zu bewegen, statt durch Hass ?
»Hilf mir«, flüsterte sie in den Raum hinein und starrte auf die glitzernde Zeichnung. Ein sanfter Luftzug schwebte durch das Zimmer. Die Klebestreifen an den Ecken des Bildes rollten sich zusammen. Das Blatt hob sich von der Wand und segelte zart hinüber zum Bett, wo es in Jennys Schoß landete. Und zum ersten Mal seit langem leuchtete das Gesicht des kleinen Mädchens wieder vor Freude. »Seht mal! Mein Bild glitzert! Das ist Zauberei!« Alex grinste. »Das ist ja ziemlich Klasse, das Bild. Man erkennt sofort, dass es Marleigh Cooper ist.«
Es war ihnen gelungen, Jenny ein bisschen abzulenken. Ob sie wohl nun auch mit ihnen sprechen würde? Verzaubere sie. Wieder diese Stimme. Und Cam erinnerte sich an die Beschwörung, das Gedicht, das Alex ihr am letzten Freitag aufgesagt hatte.
»Oh Mond, der droben wacht; schenk mir ein Teil von deiner Macht«, begann sie. Und dann zögerte sie, da sie sich an den Rest nicht mehr erinnern konnte.
Alex erstarrte. Cam versuchte Docs Beschwörung! Keine gute Idee! Sie hatte Cam nicht erzählt, dass es nur funktionierte, wenn man an Magie glaubte. Cam versuchte es einfach so. Alex wollte sie gerade aufhalten, als ihr Blick auf Jennys strahlendes Gesicht fiel. Ihr Bild glitzerte und war auf einmal in ihren Schoß gefallen. Das Kind glaubte an Magie. Vielleicht genügte das.
Alex legte ihre Finger um den Bergkristall in ihrer Tasche und vollendete den Spruch: »Nimm nun Jennys Schuld und Schmerz; füll mit Kraft und Mut ihr Herz.«
Da - Jenny blickte auf. Ihr dünnes Stimmchen bebte. »Ich habe etwas Böses gemacht. Mommy hat gesagt, dass ich auf meinem Platz bleiben soll... «
»Deinem Platz beim Fußballspiel?« Cam stellte sich direkt neben Alex. »Du warst da?« Jenny brach in Tränen aus. »Mommy hat gesagt: >Bleib da.< Aber Marleigh ging gerade weg. Ich wollte nur Hallo sagen.« Cam kramte ein Taschentuch hervor und gab es Alex, die das Kind beruhigte: »Schon in Ordnung, Kleines. Niemand wird dich verpetzen.«
»Seid ihr Zwillinge?«, fragte Jenny, die vorübergehend abgelenkt war. Cam und Alex antworteten gleichzeitig: »Scheint so.« Jenny war begeistert.
Cam lächelte. Sie fragte weiter. »Bist du von deinem Platz aufgestanden, um Marleigh nachzugehen, Süße? Und hast du da dann den Jungen mit diesem Ohrring gesehen? Ist er mit Marleigh irgendwo hingegangen ?«
»Mommy war weg, um mir ein Eis zu holen. Ich wollte nur ein Autogramm von Marleigh.«
»Ich habe dich gesehen«, sagte Cam unvermittelt. »Ich meine, das warst du. Dieses kurze Aufblitzen roter Locken ...« Alex warf ihr einen Blick zu, der so deutlich war, dass Cam keine GedankenlesFähigkeiten brauchte. Halt die Klappe, bedeutete er. Endlich machen wir Fortschritte. »Hast du das Autogramm denn bekommen?«, fuhr Alex fort. Jenny holte eine schon recht zerknitterte Serviette unter ihrem Kopfkissen hervor und reichte sie Alex. »Für Jenny mit dem hübschen Lächeln«, las Alex laut vor. »Es war schön, dich und deine niedlichen Sommersprossen kennen zu lernen. Alles Liebe, Marleigh.«
Kapitel 28 - NICHT NUR MUSIK
Nachdem sie Jennys Haus verlassen hatten, fuhren sie zuerst bei Music & More vorbei. Sie stellten ihre Räder - Alex hatte sich Dylans ausgeliehen -in den Ständer neben der Ladentür. »Okay. Überlass das ganz mir«, forderte Alex auf dem Weg nach drinnen. Cam eilte ihr nach. »Überhaupt nicht. Du bist gerade erst hier
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