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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Großvater gehört.«
    »Hat?«
    »Er ist tot.«
    »Weißt du, was daraufsteht?«
    Mathias schüttelte den Kopf.
    »Dann komm her und sieh es dir an. Wegen dieses Stücks Papier musstest du fast sterben. Schon allein deshalb musst du es dir anschauen.«
    Mathias rührte sich nicht. König streckte ihm die Hand entgegen.
    »Komm«, sagte er. »Komm und sieh es dir an.«
    »Er kann nicht aufstehen«, sagte Katta.
    »Er kann aufstehen«, widersprach König.
    Mathias stellte die Füße auf den Boden und stand auf. Ihm war schwindelig. In seinen Ohren summte es. Er schüttelte den Kopf, um klar denken zu können. König stützte ihn mit der ausgestreckten Hand.
    Der Streifen auf dem Tisch war etwa so breit wie ein kleines Blatt Briefpapier, aber kürzer. Er war offensichtlich in der Mitte durchgerissen worden, da der untere Rand ausgeprägte Zacken aufwies. Die Knicke, entlang derer er zusammengefaltet worden war, damit er in Gustavs Frack eingenäht werden konnte, waren immer noch zu sehen. Es waren noch andere Abdrücke darauf. Mathias wusste, woher sie stammten: von Gustavs Zähnen, er hatte den Zettel ja in den Mund gesteckt. Für einen Augenblick fühlte er sich wieder in den dunklen Schuppen zurückversetzt, sah sich selbst neben dem Sterbenden. Auf dem Boden lag schmutziges Stroh, auf dem die Schüssel mit milchig trübem Wasser stand.
    Was er hier vor sich hatte, war dasselbe Stück Papier, dessen war er sich ganz sicher, aber etwas ergab keinen Sinn. Absolut keinen Sinn. Er hob es hoch und drehte es um.
    Das Papier war auf beiden Seiten vollkommen leer.

Die Reißkante
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Mathias.
    Er glaubte, etwas Offensichtliches sei ihm entgangen, und blickte König an in der Erwartung, bei ihm die Antwort zu finden, doch dieser war ebenso ratlos. Verwirrt blickte Mathias auf das Blatt in seiner Hand.
    Katta kam zum Tisch herüber. »Alles Geschriebene ist weg«, stellte sie fest.
    König hielt das Blatt gegen das Licht. Jede Stadt stellte ihr eigenes Papier her und kennzeichnete es. Wo das Licht durchschien, erkannte er das Wasserzeichen der Papiermachergilde jener Stadt, in der es gemacht worden war. Doch es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass jemals etwas auf diesem Blatt gestanden hatte.
    »Ausgeschlossen, dass Häller danach sucht«, sagte Katta. »Es muss etwas anderes sein.«
    In dem Moment kam ihr in den Sinn, dass Mathias vielleicht noch etwas hatte mitgehen lassen, etwas, von dem er ihr nichts erzählt hatte. Sie sah ihn misstrauisch an, aber er schüttelte den Kopf. Er war sich ganz sicher: Wenn Gustav etwas hatte verstecken wollen, dann konnte es nur dieses Papier sein.
    »Es muss ein Trick dabei sein«, sagte er.
    König sah ihn an. »Was meinst du damit?«
    Der forschende Blick seiner harten, grauen Augen machte Mathias nervös. »Dieses Papier gehörte mal einem Zauberer«, sagte er.
    Er blickte Katta an, als hoffte er, sie könnte es besser erklären, doch sie wusste auch nicht, was er meinte.
    »Er war ein Zauberer«, begann er noch einmal. »Es muss ein Trick dabei sein. Vielleicht muss man es in einem bestimmten Winkel halten, damit man die Schrift erkennen kann.«
    »Wie?«, fragte König und kippte das Blatt ein wenig, sodass das Licht anders darauffiel. »Was hat er wohl damit gemacht?«
    Mathias runzelte die Stirn. Er überlegte angestrengt, doch es wollte ihm nichts einfallen. Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht. Vielleicht muss man es über eine Flamme halten.«
    Möglich war es. König zündete einen Kerzenstummel an und sie schauten ganz genau hin, als er das Papier über der Flamme hin und her bewegte. Katta erwartete, dass Worte darauf erscheinen würden, doch nichts geschah.
    »Es ist nur ein Stück Papier«, stellte sie schließlich verächtlich fest. »Ihr wollt, dass es etwas anderes ist, aber da täuscht ihr euch.«
    König blickte nicht auf. »Die Dinge sind nicht immer, was sie scheinen«, sagte er. »Das solltest du inzwischen begriffen haben.«
    Er drehte sich um und sagte in der Köhlersprache etwas zu der Frau. Dann lauschte er ihrer ausführlichen Antwort. Katta nahm an, dass er sich danach erkundigt hatte, was genau Mathias’ Worte gewesen waren, und versuchte ihr zu folgen. Aber die Sprache der Frau bestand für sie nur aus fremden Lauten ohne Bedeutung. Ab und zu unterbrach König die Köhlerin mit einer Frage, dann überlegte sie jeweils kurz, bevor sie weitersprach. Als sie geendet hatte, nahm König das Blatt wieder auf und

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