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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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– Jakob hatte keinen weiten Weg zur Schenke gehabt. Der alte Mann ging über eine schmale Brücke und bog dann in eine enge Gasse ein. Von den hohen Häusern dort war keines wie das andere. Sie neigten sich von beiden Seiten einander zu, sodass von dem dunklen Himmel darüber fast nichts mehr zu sehen war. In der Mitte der Gasse verlief eine Rinne, in der sich der gefrorene Dreck türmte. Bei allen Häusern entlang der Gasse drang ein Lichtschimmer zwischen den geschlossenen Läden hervor. Irgendwo bellte ein Hund. Jakob blickte sich kein einziges Mal um. Er ging in gleichmäßigem Tempo bis zum Ende der Gasse, wo eine offene Tür in eines der schäbigen Häuser führte. Gleich hinter der Tür brannte ein Kerzenstummel, in dessen Schein König den alten Mann langsam die Holztreppe hinaufsteigen sah.
    König lief schneller. Am Fuß der Treppe blieb er stehen, die Hand am Geländer, horchte und zählte Jakobs schlurfende Schritte, bis sie innehielten. Er hörte Schlüssel klimpern und eine Tür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde. König wartete noch einen Augenblick und lauschte auf die Geräusche aus den anderen Wohnungen oben, Schritte hörte er jedoch keine mehr. Er ging leise hinauf und zählte dabei die Stufen. Nach der richtigen Anzahl Schritte erreichte er einen Flur, von dem zwei Türen abgingen. Er legte das Ohr an die erste. Drinnen redeten ein Mann und eine Frau miteinander. Dann lachte die Frau. Er ging auf die andere Seite des Flurs und horchte an der anderen Tür, und dahinter hörte er nichts. Als er sacht dagegendrückte, bewegte sie sich. Offenbar war sie nicht richtig geschlossen worden. Er stieß sie mit dem Finger an und sie schwang nach innen. Das Zimmer dahinter lag in vollkommener Dunkelheit. Es roch muffig und feucht.
    »Noch einen Schritt, Lügenbold«, sagte eine Stimme aus dem Dunkel, »und ich blase dir das Hirn aus dem Kopf.«
    König rührte sich nicht. Er konnte nicht abschätzen, wo sich der alte Mann befand. Er wusste nicht, ob er nah genug war, um ihn zu erreichen, bevor dieser Zeit hatte abzudrücken. Deshalb blieb er reglos stehen.
    »Ich möchte mit dir reden, Jakob«, sagte er.
    »Du kannst mir auch dort, wo du stehst, sagen, was du von mir willst«, kam die Antwort.
    Jetzt konnte König die Position des Mannes erahnen. Die Stimme kam aus der hintersten Ecke des Zimmers. Sein Gegner war zu weit entfernt, als dass er ihn rechtzeitig hätte erreichen können.
    »Der Junge glaubt wirklich, dass Meiserlann sein Großvater war«, sagte König.
    »Lügner.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass das stimmt. Ich habe gesagt, dass der Junge es glaubt. Er kannte ihn unter einem anderen Name n – Gustav.«
    Es folgte langes Schweigen.
    »Bist du noch da, Jakob?«, fragte König.
    »Red weiter«, sagte der alte Mann.
    »Meiserlann ist tot. In seine Jacke eingenäht war ein Blatt Papie r – ein halbes Blatt Papier. Der Junge hat es gefunden. Man hat versucht ihn umzubringen, um an das Papier heranzukommen. Ich will wissen, warum.«
    Wieder folgte ein langes Schweigen, dann bewegte sich etwas und ein Feuerstein wurde über der Zunderbüchse an etwas geschlagen. Eine Flamme loderte auf. Jakob hatte eine Lampe angezündet.
    »Komm rein, Lügenbold«, sagte er.
    Der Raum war dreckig und klein. Ein schmutziges Bett stand darin und ein kalter Ofen. Jakob saß, in seinen Mantel gehüllt, in einem Sessel und hielt eine Pistole ungeschickt in seinen daumenlosen Händen.
    »Du lebst allein hier?«, fragte König.
    Der alte Mann blickte sich in dem heruntergekommenen Zimmer um. »Nennst du das leben?«
    König schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Jakob hob die Pistole ein wenig, sodass sie auf Königs Herz zielte.
    »Da war dieser fette Mann«, begann er. »Er kam ins Theater, nur um Meiserlann zu sehen. Er saß in der teuersten Loge. Er lud Meiserlann zum Essen ein und machte ihm Geschenke. Er erfuhr nie, dass Meiserlann sich hinter seinem Rücken über ihn lustig macht e – über sein Einstecktuch und seine parfümierten Hemden. In Meiserlanns Augen war er eine Witzfigur. Und weißt du, wie er hieß?«
    »Nein«, sagte König.
    »Gustav. Wie bist du auf den Namen gekommen, Lügenbold?«
    Langsam hob König beide Hände, die Handflächen nach außen, damit Jakob sah, dass er nichts darin hielt. Dann griff er, während eine Hand noch oben war, langsam mit der anderen in seinen Mantel und zog seine flache, lederne Brieftasche heraus. Er öffnete sie und hielt das Blatt Papier hoch, damit Jakob es sehen

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