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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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auch sie hochzuziehen.
    Doch dann hielt er inne.
    In diesem Moment sah sie sein Gesicht. Sie sah die lange, hässliche Wunde, die sie mit dem Messer geschlagen hatte, und wusste, was er tun würde. Lichtpunkte glitzerten wie ein Heiligenschein um seinen Kopf.
    »Bitte!«, flehte sie und reckte ihm die Hand entgegen.
    Aber er war bereits verschwunden. Sie stand da und starrte sprachlos auf die Öffnung, in der er gerade noch gekauert hatte, und auf die flackernden Lichter, die hineindrückten und sie ausfüllten.
    Es war wieder passiert.
    Sie wusste nicht, wo sie war. Sie spürte harten, kalten Boden an ihrer Wange. Ihr Rock klebte schmutzig und nass an ihren Beinen. Dann sah sie ein Licht, das wie eine Motte auf sie zuschwebte. Sie versuchte den Kopf zu heben, aber er war so schwer. Sie lag da und beobachtete das näher kommende Mottenlicht.
    Es war eine Laterne. Jemand kam mit einer Laterne. Er war fast bei ihr. Als er sich über sie beugte, sah sie langsam ein Gesicht aus der Dunkelheit auftauchen und schloss die Augen, da sie keine Kraft hatte, irgendetwas anderes zu tun.
    Es war Doktor Häller, der die Laterne hielt.

Tod in der Kapelle
    Walter und König umkreisten einander in der vom Mondlicht erhellten Kapelle, ihre Augen folgten jeder Bewegung des anderen. Walter hielt eine lange, rasiermesserscharfe Klinge in der Hand. Keiner der beiden gab einen Laut von sich; sie belauerten einander schweigend.
    Dann drehte sich Walter plötzlich um und das Messer sauste durch die Luft auf Königs Gesicht zu. Im Bruchteil einer Sekunde sah König die Schneide des Messers und dahinter Walters schmutziges Haar, das ihm ins Gesicht fiel. Die Eisenstange schwang bereits nach oben; sie traf Walter seitlich am Kopf und der Zwerg fiel auf die Knie. Das Messer glitt ihm aus der Hand und schlitterte über den Boden. König war augenblicklich über ihm; er hielt die Eisenstange mit beiden Händen, legte sie über Walters Kehle, stemmte ihm das Knie in den Rücken und begann die Luft aus ihm herauszupressen.
    Aber Walter war stark. Er legte die Hände um die Eisenstange und drückte sie mit schierer Kraft Zentimeter um Zentimeter von seinem Hals. König konnte nicht dagegenhalten. Wie ein Ringer im Zirkus beugte Walter sich mit einem Ruck nach vorn und unten. Es ging so schnell, dass König vollkommen das Gleichgewicht verlor und, die Eisenstange noch immer in den Händen, über Walters Schultern flog und auf den harten Steinboden krachte.
    Walter hob das Messer auf. König war gerade erst wieder auf die Beine gekommen, als Walter erneut angriff; er täuschte an, duckte sich unter der durch die Luft sausenden Stange weg und trieb König mit Messerhieben, die den dicken Köhlermantel wie Papier zerschnitten, durch die Kapelle. Einen Moment lang hielten sie in einigem Abstand voneinander inne. Königs Mantel war vorne mit Blut getränkt. Er atmete schwer, war aber nicht so schwer verletzt, wie er vorgab. Während er so tat, als könne er die Stange kaum noch halten, spannte er die Muskeln an und wartete auf den richtigen Moment.
    Langsam breitete sich ein Grinsen über Walters Gesicht aus. Da griff König an. Die Stange war nur ein verschwommener Strich in der Luft, aber der Zwerg sah sie kommen. Er duckte sich darunter weg und stieß König das Messer mit aller Kraft in den Leib. König wankte zurück. Dieses Mal war nichts gespielt. Instinktiv presste er den Arm auf die Wunde. Er versuchte Walter noch einmal zu treffen, doch der wich erneut aus, und das Messer fuhr mit unglaublicher Geschwindigkeit über Königs Brust und wieder zurück.
    Dann trat Walter einen Schritt zurück, kauerte sich leicht schwankend hin und beobachtete Königs Augen. Diesen Teil des Spiels genoss er am meisten. Wenn er seinem Gegner beim Sterben zusehen konnte. Er hatte es schon hundertmal gespielt. Er konnte erkennen, wenn der Tod kam, und jetzt war es so weit.
    König presste die Hand auf die Wunde. Als er sie wieder wegnahm, war sie klebrig von dickem, dunklem Blut. Er wischte sie seitlich am Mantel ab und wich langsam zurück, aber seine Beine knickten unter ihm ein und er sank zu Boden. Die Stange hielt er noch in der Hand, doch jetzt schien sie ihm schwer wie Blei.
    Walter richtete sich langsam auf. Leise trat er vor und nahm König die Stange aus der Hand, als sei dieser ein Kind und die Stange ein Spielzeug. Er warf sie in die Dunkelheit. Es klirrte, als sie die Mauer traf. Ein gleißendes Licht explodierte in Königs Kopf. Walter hatte sich über

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