Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
Ahnung, wie lange Gabriel mit Jonmarc geübt hatte, aber er vollzog das Ritual, als hätte er Zeit seines Lebens nichts anderes getan. »Der Segen der Lady liege auf dir und auf uns«, sagte Jonmarc und goss ein paar Tropfen des Mets auf den Kopf des Ebers. Dann hob Jonmarc den Kelch und sah Carina an.
»Ein Eid auch an meine Herrin«, sagte er. »Zuerst will ich schwören, dass ich immer für Euch sorgen werde. Und als zweites, dass wir vor dem nächsten Vollmond eine richtige, ordentliche Hochzeit haben werden.« Er warf den Kelch samt dem Met ins Feuer. Der Eber quiekte und wich zurück. Einer der Hirten zog noch eine Rübe aus der Tasche und der Eber wurde wieder hinausgeführt. Zwischen den Hochrufen der Gäste ging Jonmarc nach vorn zu Carina, die in der Mitte des Raums stand. Die Musiker nahmen ihr Spiel wieder auf und Carina lächelte, als Jonmarc sie in die Arme nahm und sie zu tanzen begannen. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Das hast du gut gemacht«, murmelte sie.
»Gabriel ist ein guter Lehrer. Wir haben in den Grenzlanden nicht gerade auf diese Weise gefeiert.« Er berührte den shevir an ihrem Handgelenk und er funkelte im Licht des Kaminfeuers. »Ich wollte all diese Feiern zur Wintersonnenwende hinter mir haben, bevor wir heiraten. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.«
Carina stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Solange wir zusammen sind, macht mir das gar nichts aus.«
Am nächsten Tag erkannte Carina, dass ihre Schätzungen bezüglich der Anzahl der Menschen, die auf sie warteten, korrekt gewesen war. Doppelt so viele Patienten wie noch am Vortag warteten auf sie. Jonmarc sah um die Mittagszeit kurz herein, um ihr einen frischen Brotlaib, etwas Käse und eine kleine Schüssel heißer Suppe aus der Küche zu bringen. »Ich dachte, du würdest gern was essen wollen, zumal das Dinner heute Abend wieder sehr spät ist«, sagte er. Sie brach ein Stück vom Brot ab und bot es ihm an, aber er schüttelte den Kopf. »Hab schon gegessen. Ich habe noch im Dorf zu tun, bevor es heute Abend mit dem Feiern weitergeht. Gabriel sagt, du hast heute Abend eine Rolle beim Bankett zu spielen.«
»Oh?«
»Als Herrin des Hauses musst du den Geistern des großen Eichbaums im Hof ein Opfer bringen. Und nachts gibt es eine Prozession vom Dorf zu den Hügelgräbern. Ich persönlich hoffe ja, dass das Fest ruhig und langweilig bleibt. Letztes Jahr hatte ich genug Aufregung!« Er küsste sie und überließ sie ihrer Mahlzeit.
»Lord Vahanian!« Jonmarc hatte kaum die Ställe erreicht, als Rann, einer seiner sterblichen Wächter, auf ihn zurannte. Zwei weitere Wächter waren hinter ihm.
»Ihr seid früh auf!«
Rann schüttelte den Kopf. »Ich bin gerade zum Herrenhaus gekommen, um Euch zu finden. Einer der Männer aus dem Dorf kam vorhin in Panik zu uns. Es gab einen Angriff!«
»Was für einen Angriff?«
»Wir sind zum Dorf gegangen, um uns selbst zu überzeugen. Ihr kommt besser mit uns, m’Lord.«
Jonmarc ging mit seinen Leuten in die Ställe. Noch vier weitere Männer sattelten gerade ihre Pferde. »Was verlangt so viele Wachen?«
»Der Bote sagte, es sei schlimm, m’Lord. Er nannte es ein Massaker.«
Auf der Straße außerhalb des Dorfs fanden sie eine Gruppe von Dörflern, die auf sie warteten. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern löschte auch die letzte Hoffnung Jonmarcs aus, die Wachleute hätten möglicherweise übertrieben. In der Ferne konnte er das Weinen der Trauernden und die Klagen der Frauen hören. »Wo ist es passiert?«, fragte er einen der Dorfältesten, einen bärtigen Mann, der im Vordergrund der Gruppe stand.
»Draußen, auf den hinteren Hügeln, irgendwann in der Nacht, m’Lord«, erwiderte der Älteste. »Wir kommen gerade von dort, aber ich werde mit Euch reiten. Auch wenn ich wünschte, ich müsste in meinem Leben so etwas nie wieder sehen.«
Sie ritten ungefähr einen halben Kerzenabschnitt. Der Wind peitschte um sie herum und ließ den Schnee wirbelnd vom Boden aufsteigen und in Fahnen von den Bäumen wehen, wo er dick auf den Ästen lag. Als sie die hinteren Hügel erreichten, hielt der Älteste sein Pferd an und Jonmarc sah auf den Hang des Hügels.
Über den ganzen Abhang waren die Überreste von Schafen verstreut, die Glieder von den Körpern abgerissen. Der Schnee war rot von Blut. Unter den Kadavern waren auch die Leichen von einem halben Dutzend Schäfern. »Bei der Hure!«, rief Rann aus, als sie sich den Leichen näherten. Die
Weitere Kostenlose Bücher