Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
sodass er auf die andere Seite rollte. »Wir brauchen dein Gold nicht. Es gibt nur eins, was wir von dir wollen. Dein Blut.« Senan zog die Lippen zurück und der untersetzte Mann wimmerte und drückte sich wieder gegen den Boden.
Die drei waren übereingekommen, Senan den ersten Schluck Blut zu überlassen. Senan beugte sich herab und bewegte sich langsam, um den Schrecken in den Augen des Verlorenen zu erhöhen. »Die Vettel wartet auf dich«, flüsterte Senan, als er den großen Mann zu sich hin zog.
»Bitte, nicht! Nein, nein …«
Senans Zähne bohrten sich von links in den fleischigen Hals, direkt neben der Kehle. Der Mann versteifte sich, aber er gab keinen Laut mehr von sich. Einen Moment später zog Senan sich zurück und warf den immer noch Lebenden zu Berenn, der rechts neben der Kehle erneut zubiss und ein paar tiefe Züge nahm. Die letzten Schlucke, die süßesten und mit Todesangst erfüllten, waren für Malesh reserviert. Der stämmige Mann war schon sehr blass, als Berenn seinen schlaffen Körper an Malesh weiterreichte, aber Malesh konnte immer noch seinen pochenden Herzschlag spüren und seinen flachen Atem. Malesh packte den Mann brutal, der stöhnte, als seine Wirbelsäule brach, und damit einen letzten Stoß Süße ins Blut schickte. Malesh setzte seine Zähne direkt unter dem Ohr des Mannes an, da, wo das Blut noch rann, kurz bevor er aufhören würde zu atmen, und brach auch das Genick des Mannes dabei. Der zerbrochene Körper zuckte ein letztes Mal in Maleshs Händen, als er das Blut trank, und seine Todesangst berauschte ihn auf verführerische Weise. Als nichts mehr übrig war als eine blutleere Hülle, ließ Malesh den Körper fallen. Nicht ein Tröpfchen Blut befleckte sein weißes Rüschenhemd.
»Eine gute Jagd.« Senan packte die Leiche am Kragen und zerrte sie hinüber zu einem großen Baum. »Wie sollen wir ihn liegen lassen?«
»Er hatte eine schwere Jagd«, sagte Berenn. »Wir sollten uns Mühe geben.«
Senan setzte die Leiche unter den Baum, sodass der Kopf des Mannes auf seine Brust sank, während Berenn seinen Hut von der Lichtung holte und ihn so auf seinen Kopf setzte, dass seine Augen bedeckt waren. Senan faltete die Hände über seinem Schmerbauch und stellte einen Fuß mit angewinkeltem Knie auf den Boden, das andere Bein gerade ausgestreckt. Sie gingen ein paar Schritte zurück, um sich ihr Werk zu betrachten. Wenn niemand unter den Kragen des Mannes sah, hätte man glauben können, er halte ein Nickerchen im Schatten des Waldes.
»Das ist eins eurer besseren Werke, wenn ich das sagen darf«, meinte Malesh anerkennend zu Senan. Er schlug ihm auf die Schulter und die drei machten sich auf den Weg zurück zu Uris Landsitz.
Das Gut Scothnaran war groß, weitläufig und vulgär. Genau wie sein Besitzer , dachte Malesh und seine Laune sank. Scothnaran fehlte es an Rasse und Stammbaum, zwei weitere Dinge, die es mit Uri gemeinsam hatte. Bereits der erste Anblick ließ keinen Zweifel daran, dass das Gebäude nur errichtet worden war, um Besucher mit der Position und der Macht des Eigentümers zu beeindrucken. Wahrer Reichtum musste nicht zur Schau gestellt werden, Uri hatte das nie herausgefunden. Malesh hatte vor hundert Jahren sein Leben, sein Blut und seine Freiheit in einem Duell über ein schlecht gelaufenes Kartenspiel an Uri verloren. Und Malesh, dessen Stammbaum sich bis hin zum herrschenden Adel in Fahnlehen zurückverfolgen ließ, war zum Höfling eines Narren und eines Stümpers geworden. Ein billiger Falschspieler, dessen größter Augenblick der gewesen war, als er bei einem Spiel um zwei skrivven pro Karte erwischt worden und als Strafe für eine nicht bezahlte Schuld hinübergebracht worden war.
Scothnaran war voller Gäste, als Malesh und seine Geschöpfe eintraten. Uri war gern in der Gesellschaft von Sterblichen, so als gewähre ihm sein Status unter denen, die die Dunkle Gabe erhalten hatten, und sein neu erworbener Reichtum die Position, die er sich schon immer gewünscht hatte. Aber heute Abend sah Malesh keinen Sterblichen im Raum – keinen der habgierigen jungen Männer, die hofften, beim Kartenspiel zu gewinnen, und keine der Schlampen, die Uri »Ladies« zu nennen pflegte.
Die große Halle von Scothnaran war genauso prätentiös wie ihr Besitzer. Kandelaber trieften von Kristall und Perlen. Noorische Einlegearbeiten verzierten so viele Möbel, dass die Stücke nicht nur miteinander um Aufmerksamkeit zu wetteifern schienen, sondern auch mit den
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