Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
Tris zu, »der andere für dich«, fügte er mit einem Lächeln für Kiara hinzu. »Es sagt glückliche und unheilvolle Momente für die achtzig Jahre nach eurer Geburt voraus. Für den Mittelteil haben meine Seher ein Horoskop für den heutigen Tag erstellt und vorausgesagt, dass die Zeichen günstig stehen, dass innerhalb eines Jahres ein männliches Kind geboren wird.«
Für beinahe einen Kerzenabschnitt empfingen Tris und Kiara die Geschenke des Adels: wunderbares Silber, fein geschliffenes Kristall und edelsteinbesetzte Juwelen. Tris begann sich zu entspannen, als die Anzahl der Geschenke anwuchs, ohne dass etwas geschah. Er und Kiara waren überschwänglich in ihrem Dank, aber er wusste, dass Kiara genau wie er im Geiste darüber stöhnte, dass die Geschenke des Adels sich an Üppigkeit gegenseitig zu überbieten schienen, nur um sich beim neuen König und seiner Königin einzuschmeicheln.
Zuletzt blieb nur noch ein Geschenk übrig. Es war in Stoff eingewickelt und hatte etwa die Größe einer Tür.
»Denkst du, es ist ein Porträt?«, flüsterte Kiara lachend Tris zu. Sie wusste, wie sehr er die lebensgroßen Porträts Jareds gehasst hatte.
»Du liebe Göttin, ich hoffe nicht! Wir haben gerade erst all die verbrannt, die Jared von sich selber gemacht hatte.« Er wurde ernst und seine Augen weiteten sich. »Da ist etwas nicht in Ordnung.«
»Was ist los?«
»Blutmagie. Ich kann sie fühlen.«
Die Diener schlugen das Tuch mit Schwung zur Seite und enthüllten einen Spiegel, der reich verziert eingerahmt war. Der Rahmen war aus Gold und trug ein kompliziertes Runenmuster.
»Nicht anfassen!«
Tris’ Warnung kam einen Augenblick zu spät. Der Spiegel zitterte in der Hand des Dieners und einer von ihnen streckte die Hand aus, um ihn zu beruhigen. Er berührte das Glas.
Der Spiegel trübte sich und das Glas verschwand. Ein ohrenbetäubender Schrei erklang und bevor die anderen Lakaien, die den Spiegel hielten, auch nur einen Schritt zurückgehen konnten, stieg ein Monster durch den Rahmen. Das Wesen war leichengrau, mit einer schlüpfrigen, haarlosen Haut, die sich über seinen albtraumartigen Körper spannte. Sein missgestalteter Kopf hatte hervorquellende Augen und scharfe, vorstehende Zähne. Es ging aufrecht wie ein Mensch, auf mit kräftigen Muskeln bepackten Hinterbeinen, die in massiven Klauen endeten. Mit seinen krallenbewehrten Armen wischte das Monster die Männer, die den Spiegel hielten, beiseite und riss dabei geradezu beiläufig die Köpfe der am nächsten Stehenden ab.
»Nicht, solange ich Wache stehe!« Harrtuck rannte mit gezogenem Schwert auf das Monster zu und hieb mit einem Schlag darauf ein, der einen Bär oder einen Wolf gefällt hätte. Das Wesen jedoch schlug mit seinem Unterarm zu, hinterließ vier große Risse auf Harrtucks Schulter und schleuderte ihn quer durch den Raum. Harrtuck prallte gegen die Wand und lag still da. Schreie und Kreischen brachen unter den erschrockenen Hochzeitsgästen aus, die in alle Richtungen vor dem Monster flohen. Ein Diener, Jair, schnappte sich eine Fackel von der Wand hinter ihm und rannte mit einem Schrei auf das Wesen zu. Er schwang wie wild die Fackel, um es von den Festgästen fortzulocken.
»Alle hinaus!«, rief Tris zu Soterius, der schon auf den Beinen war. Tris sprang über den Tisch und zog sein Schwert. Das Ungeheuer drang weiter vor und zerstreute die Gäste. Dann konzentrierte es sich wie geplant auf ihn. Tris trat näher.
Er hob seine Hand, um einen Schutzzauber zu wirken, aber bevor dieser vollständig war, spürte er, wie eine weitere Person in den Schutzkreis trat.
»Du weißt wirklich, wie man ein Fest ausrichtet.«
Hinter ihm stand Vahanian, das Schwert gezogen.
Tris war sich vage bewusst, dass außerhalb des Schutzkreises Carroway und Soterius laut für Ruhe sorgten. Er hörte, wie Donelan und Kalcen nach ihren Soldaten riefen. Eine solide Reihe Wachen von Isencroft und der Ostmark formte sich um ihn herum, die Waffen bereit.
Das Monster wollte nach Tris greifen und er duckte sich, aber nicht schnell genug. Er spürte, wie die Klauen des Ungeheuers über seinen Rücken kratzten und ihn zu Boden warfen. Sein verwundeter Knöchel gab unter ihm nach und schickte einen scharfen Schmerz sein Bein hinauf. Jonmarc übernahm mit gehobenem Schwert den Kampf, brachte dem Ungeheuer eine tiefe Wunde an der Schulter bei und wurde von dessen starkem Arm beiseite gewischt. Tris dehnte seine Kraft aus und hoffte, damit dem Monster die
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