Fiona
entgegennahm, sah Fiona das Blitzen eines Messers, als er, die Hände unter dem Feuerholz verborgen, die Fesseln an den Füßen des Mädchens zerschnitt.
Doch Fiona bemerkte noch etwas, das Roger nicht sehen konnte: hinter ihm stand ein älterer Mann, reich gekleidet, mit Juwelen behängt, der Stoff seiner Gewänder mit Golddraht durchwirkt, der seine tiefliegenden kleinen Augen nicht eine Sekunde von dem gefesselten Mädchen abwendete. Das verlöschende Sonnenlicht spiegelte sich eine winzige Sekunde lang in dem blanken Stahl von Rogers Messer.
Auf der entfernten Seite des Lagers schleuderte Miles einen brennenden Holzscheit aus dem Feuer und setzte das dürre Gras daneben in Brand. Er glitt davon, ehe er für seine Ungeschicklichkeit bestraft werden konnte, und mehrere Ritter schickten sich an, den Brand zu löschen.
Doch diese Ablenkung genügte nicht. Die Männer, die das gefesselte Mädchen bewachten, hatten keinen Blick für das Feuer übrig — und der alte Mann fuhr fort, das Mädchen mit seinen haßerfüllten Blicken anzustarren.
Die Dunkelheit schien sich jetzt rasch über das Lager zu senken; doch das Feuer spendete genügend Licht, daß Fiona erkennen konnte, wie Miles im Schatten eines Wagens ein Schwert aus einer Scheide zog.
Er hatte tatsächlich vor, zu kämpfen! dachte sie. Er wollte Verwirrung stiften, Männer auf sich ziehen, damit Roger mit dem Mädchen aus dem Lager flüchten konnte. Wenn das Feuer versagte, erreichte vielleicht das Klirren von Stahl den gewünschten Zweck.
Fiona erhob sich aus dem Graben, in dem sie sich versteckt hielt, sprach ein rasches Gebet, daß man ihr ihre Sünden verzeihen möge, und begann dann, ihr grobes Wollgewand vom Hals bis zur Hüfte hinunter aufzuknöpfen. Vielleicht konnte sie die Aufmerksamkeit der Männer auf sich lenken — und besonders die Blicke des alten Mannes in seinem Goldgewand.
Ihr Auftritt war rasch und dramatisch. Sie rannte auf die Lichtung hinaus, sprang mit kurzen, schnellen Sätzen in die Höhe, so dicht über eines der Lagerfeuer, daß sie fast mit gespreizten Beinen darin landete. Die Hände auf die Hüften gelegt, die Beine gespreizt, beugte sie sich nach vorne, daß sich ihr Leibchen weit öffnete und sie mit ihren nackten Brüsten fast den Kopf des alten Mannes berührte.
Langsam, verführerisch, begann sie, ihre Schultern zu wiegen, vor und zurück, von einer Seite zur anderen, die eine erhoben, die andere noch ein Stückchen höher, wobei sie langsam rückwärts ging, bis sie sich fast über das Feuer lehnte. Mit einer Hand nahm sie die Baumwollkappe vom Kopf und ließ ihr Haar bis zu ihren Knien herunterfallen. Es hing über dem Feuer, färbte sich fast rot über der Glut und schien sich in eine lodernde Fackel zu verwandeln.
Als sie sich wieder geraderichtete, die Hände herausfordernd auf den Hüften, öffnete sie den Mund zu einem Lachen — einem lauten, arroganten, herausfordernden Lachen — und lenkte damit die Blicke aller Männer auf sich. Der alte Mann beäugte sie neugierig, und zum erstenmal ließen seine Augen das Mädchen los, das ein paar Schritte entfernt von Fiona am Baum lehnte.
Fiona hatte noch nie vor Zuschauern getanzt; doch sie hatte im Haus ihres Bruders bei Lüsternheit erregenden Veranstaltungen zusehen müssen, um zu wissen, was man mit einem Tanz erreichen konnte. Einer von den Rittern begann auf einer Laute zu schlagen und ein anderer auf einer Trommel. Fiona fing an, sich langsam in schlangengleichen Bewegungen zu wiegen - nicht nur mit den Hüften, sondern mit dem ganzen Körper, wobei von den Fingerspitzen bis zu den Zehen hinunter jeder Zoll ihres Körpers in Bewegung geriet. Und sie brachte ihre prächtigen Haare dabei vorteilhaft zur Geltung, wirbelte sie um ihren Körper, klatschte sie den Männern quer durch das Gesicht. Als ein Ritter ihr zu nahe kam, raffte sie einen Stein vom Boden auf und schlug dem Mann den Stein, den sie mit der Faust umschloß, in den Unterleib.
Alle lachten wiehernd über den Ritter, der sich vor Schmerzen krümmte, und von da an war es mehr eine Jagd als ein Tanz. Für Fiona wurde ein Alptraum wieder lebendig. Sie sah sich in das Haus ihres Bruders zurückversetzt, wo die männlichen Gäste darin wetteiferten, sie einzufangen. Sie vergaß die letzten Worte, mit denen sie ihre Angst überwunden hatte, und kehrte zurück in eine Zeit, wo sie um ihr Leben hatte kämpfen müssen.
Auf Zehenspitzen wirbelte sie um einen Ritter herum und hob sein Schwert aus seinem
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