Fire after Dark - Dunkle Sehnsucht
Jacke und zieht sie an, und gleich darauf verlassen beide das Wohnzimmer, und Mr R. macht im Gehen noch das Licht aus.
Wohin gehen sie? Was passiert da?
Diese plötzliche Änderung im erwarteten Ablauf verwirrt mich. Und dann überkommt mich ein verrückter Impuls. Ich hebe den schläfrigen De Havilland von meinem Schoß, springe auf und renne zum Flurschrank. Ich habe bereits entdeckt, dass Celia darin eine kunterbunte Sammlung an Hüten und Mänteln aufbewahrt. Ich greife mir einen alten Burberry-Trenchcoat und renne aus der Wohnung. Der kleine Aufzug steht auf meinem Stockwerk, und nur einen Augenblick später – improvisiert getarnt, indem ich mein Haar löse und den Mantelkragen aufstelle, trete ich ins Foyer und sehe gerade noch, wie sich die Haustür schließt und Mr R. und seine Freundin die Treppe hinunter auf die Straße gehen.
Was mache ich hier nur? Bin ich jetzt plötzlich Spionin? Ich fühle mich erregt, bin aber gleichzeitig entgeistert über mich selbst. Was, wenn sie mich sehen? Was, wenn er mich erkennt und wissen will, warum zum Teufel ich ihm folge? Wird mir dann ein Bluff gelingen? Wer weiß das schon, aber jetzt ist es zu spät. Es ist der pure Wahnsinn, doch jetzt, wo ich damit angefangen habe, ziehe ich es auch durch. Ich will wissen, wohin sie gehen. Merkwürdigerweise gibt mir das irgendwie das Gefühl, Teil ihres Lebens zu sein, so wie sie Teil meines Lebens sind. Außerdem winken sie sich bestimmt gleich ein Taxi heran und brausen davon, und dann kehre ich zurück in die Wohnung und erlange hoffentlich meine geistige Gesundheit wieder.
Aber das tun sie nicht.
Stattdessen spazieren sie durch die Seitenstraßen, unterhalten sich so leise miteinander, dass ich nichts verstehen kann, schreiten offenbar einen vertrauten Weg ab, auch wenn er für mich völlig fremd ist.
Wenn ich sie aus den Augen verliere, stecke ich in Schwierigkeiten. Mein Stadtplan liegt in meiner Tasche in Celias Wohnung, und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo ich mich befinde.
Die Dunkelheit macht es noch schwerer, eine Richtung auszumachen oder mir Orientierungspunkte zu merken, insbesondere da ich die beiden vor mir nicht aus den Augen verlieren will, ohne ihnen zu nahe zu kommen. Ich schleiche hinter ihnen her, in einer Entfernung, die hoffentlich einigermaßen richtig ist. Mir ist unklar, ob ich mit der Umgebung verschmelze oder auffalle wie ein bunter Hund. Ich kann nur hoffen, dass sie sich nicht urplötzlich umdrehen …
Sie gehen immer weiter. Die hohen Absätze der Frau klicken laut auf dem Pflaster. Sie trägt an diesem Abend ein dunkles Kleid zu einer figurbetonenden Jacke. Mr R. ist noch im Geschäftsanzug, bei den hohen Temperaturen braucht er weder Mantel noch Jacke. Eigentlich bin ich diejenige, die in ihrem Regenmantel besonders auffällig wirkt, wenn man berücksichtigt, dass die meisten Menschen um uns herum nur T-Shirts und leichte Sommerkleidung tragen.
Aber egal. Wenn einer fragt, muss ich einfach so tun, als sei ich einer dieser typischen britischen Exzentriker.
Aber es wird niemand fragen, mahne ich mich. Es kümmert nämlich keinen. Das ist ja das Verführerische an dieser Stadt. Ich kann sein, wer immer ich sein will. Das ist so völlig anders als daheim, wo schon ein Wechsel der Haarfarbe zu einer hitzigen Debatte führen kann, an der sämtliche Einwohner des Ortes teilnehmen.
Wir wandeln durch dunkle Straßen und gelangen schließlich an eine geschäftige Hauptstraße, über die Autos, Busse und Taxis rauschen. Wir überqueren sie und kommen in eine schicke Fußgängerzone mit ungewöhnlichen Boutiquen und Kneipen, vor denen junge Menschen stehen, trinken und rauchen. Ich fürchte schon, ich könnte Mr R. und die Frau verlieren, während wir uns durch die Menschenmenge fädeln, aber sie spazieren in gemächlichem Tempo, offensichtlich ohne zu ahnen, dass sie verfolgt werden. Regenbogenfahnen hängen vor einigen Kneipen – das sind Schwulenbars. Ich erkenne die Fahne. Andere Kneipen haben diskrete verhängte Eingänge. Ich sehe Frauen in Miniröcken und Bustiers vor Türen, an denen glitzernde Flatterbänder hängen.
Ist das das Rotlichtviertel? Ich kann es kaum fassen. Hierher wollen sie?
Wir kommen an einigen zwielichtigen Läden vorbei, und gerade, als ich mich frage, was um alles in der Welt hier vor sich geht, gelangen wir in ein umtriebiges, pulsierendes Viertel mit einem völlig anderen Charakter. Hier herrscht eine seltsame Mischung aus Arbeit und Spiel: Überall
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