Fire after Dark - Tiefes Begehren: Roman (German Edition)
finden, scheint gering. Ich habe mein Handy nicht dabei. Selbst wenn er wüsste, dass ich hier bin, wie sollen wir zueinander kommen? Meine einzige Hoffnung ist, dass Andrei irgendwie weiß, wo er die anderen finden wird. Er hat sein Handy ja dabei. Wir verlassen den Hauptraum und begeben uns durch einen der Gänge zu einer Höhle, die mit einem Seil abgesperrt ist. Davor steht eine Frau. Sie trägt ein langes, rotes Abendkleid, und ihre Maske ist schwarz und sehr schlicht, bedeckt nur ihre Augen. Sie hat hellblondes Haar, fast weiß, das ihr in Wellen über die Schultern auf den Rücken fällt, und leuchtend rote, volle Lippen.
Beim Näherkommen wirft sie uns einen neugierigen Blick zu. Andrei sagt leise »Dubrovski« zu ihr.
Sie quietscht und ruft: »Andrei! Ich habe dich gar nicht erkannt. Aber du siehst hervorragend aus.« Sie beugt sich vor und gibt ein küssendes Geräusch von sich, während ihre Wange über seine streicht. »Wie schön, dich zu sehen.«
»Danke. Wie geht es dir, Kitty?«
»Sehr gut, danke. Ist die Party nicht phantastisch? Wir werden uns großartig amüsieren. Lass mich wissen, wenn dich jemand herumführen soll. Es gibt jede Menge Vergnügungen. Und sehr private Räumlichkeiten, falls du das benötigst. Du musst es nur sagen. Später gibt es auch noch eine Kabarettnummer.«
Kabarett … ein Bild taucht vor meinem inneren Auge auf. Ich sitze im Asyl , dem privaten Club, der eine so große Rolle in meinem Leben spielen sollte. James ist bei mir, und wir sehen eine Kabarettnummer, aber es ist keine gewöhnliche Bühnenshow. Es ist eine erotische Burlesque, bei der am Ende einer der Künstler ausgepeitscht wird, und das Publikum besteht aus Menschen, die insgeheim selbst allen möglichen Aktivitäten nachgehen. Im Anschluss belegen die Gäste Privaträume, in denen sie die Gelüste ausleben, die während der Show in ihnen geweckt wurden.
Plötzlich erkenne ich mit großer Klarheit, dass auf dieser Party alles möglich sein wird. Angesichts der Fülle von schönen Menschen, der seltsamen Anonymität der Masken, der hochprozentigen Getränke und der Musik ist dies ein Ort, an dem sich keiner zur Ordnung rufen wird, wenn sein Verlangen zum Leben erwacht.
Mein Gott, was habe ich getan? Worauf habe ich mich da eingelassen? Wird das hier eine Orgie? Wollte mich Andrei deshalb dabeihaben?
Diese Gedanken schießen mir durch den Kopf, als Kitty das Seil löst und uns Zugang zu der dahinter liegenden Grotte gewährt. Sie ist mit Bänken ausgestattet, die mit Samt überzogen und beinahe so breit sind, dass es auch Ruheliegen sein könnten. Die Beleuchtung liefern marokkanische Laternen. Es befindet sich niemand darin. Wir gehen hinein und setzen uns. Ich führe mit zitternder Hand mein Glas zum Mund. Alles hat sich auf einmal verändert.
»Was ist los?«, will Andrei wissen und mustert mich aufmerksam.
Ich sage nichts. Wut steigt in mir auf. Wie kann er es wagen, mich an einen solchen Ort zu bringen, ohne Vorwarnung, ohne Vorbereitung?
Als ob er meine Gedanken lesen könnte, sagt er: »Sie werden hier nichts sehen oder tun müssen, was Sie nicht sehen oder tun wollen. Auf diesen Partys geht es zwar immer sehr frei zu, aber sie sind absolut geschmackvoll organisiert. Dafür sorgt Kitty. Nur wer Grenzen überschreiten möchte, tut das auch.«
»Und was ist mit Ihnen?«, frage ich nervös.
»Ich tue alles, was mir gefällt. Das sollten Sie auch.« Er beugt sich etwas näher zu mir. »Euch Engländerinnen fällt es manchmal schwer, euch eine Freude zu gönnen und eure tiefsten Sehnsüchte auszuleben. Ihr könnt enorm verklemmt sein. Lasst euch öfter mal gehen.«
»Sie wissen doch gar nichts über mich.« Ich spucke die Worte beinahe aus. Es macht mich fuchsteufelswild, dass er so zu mir spricht, über eine Seite meines Lebens, die allein mir gehört. Nur weil er Geld hat, heißt das nicht, dass er Menschen kaufen oder in ihre Seelen schauen kann. »Absolut gar nichts wissen Sie. Wie können Sie es wagen, Vermutungen über mich oder mein Leben anzustellen?«
Andrei schaut überrascht. Zorn flackert in seinen Augen auf. Aber eine Sekunde später ist sein Gesichtsausdruck schon wieder weich, und er wirkt beinahe reuig. »Sie haben recht. Es tut mir leid. Das war unhöflich. Unverzeihlich. Ich habe einen Fehler begangen. Ich hätte Sie nicht herbringen sollen. Trinken Sie aus, dann gehen wir.«
»Das ist vielleicht am besten«, erwidere ich eisig. Ich möchte Dominic hier nicht begegnen, nicht so.
Weitere Kostenlose Bücher