Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
Immerhin bist du neu hier, da könnte Brooklyn dir das Leben echt zur Hölle machen.« Sie schneidet eine Grimasse und zieht den Schultergurt ihres Rucksacks zurecht. »Na ja, ehrlich gesagt kann sie einem das Leben immer zur Hölle machen, egal ob man hier neu ist oder nicht. Glaub mir, ich hab’s selbst erlebt.«
Ich schließe meinen Spind mit einem dumpfen Knall, der sich in den Chor aller anderen zuschlagenden Schließfächer im Gang mischt. »Dann macht es ja eigentlich keinen Unterschied, oder?«
»Hey, ist nur eine Warnung. Wahrscheinlich hat sie schon mitbekommen, dass er sich neben dich gesetzt hat, und plant just in diesem Moment deinen qualvollen Untergang.«
»Dann hat er sich halt neben mich gesetzt, na und?« Ich zucke mit den Schultern. »Wir haben ja kaum ein Wort gewechselt.«
»Immerhin sprechen wir hier von Will Rutledge«, erinnert sie mich, als wäre er was ganz Besonderes. Und das ist er für mich ja auch – aber nicht auf dieselbe Art wie für andere Mädchen.
Mit Will fühle ich mich verbunden, er zieht mich magisch an. Jede Faser meines Körpers erinnert sich an die kurze Begegnung in der Höhle: Beute und Jäger, die im Einklang miteinander abwarten. Aber weil ich um keinen Preis zugeben will, dass Will für mich etwas Besonderes ist, sage ich: »Na und?«
»Na und?« Mit übertriebener Betonung wiederholt sie beide Worte. »Er geht nie mit Mädchen von der Highschool aus, er redet ja kaum mit einer von uns. Keiner weiß das besser als Brooklyn – pass einfach auf, wenn sie in der Nähe ist.«
»Wenn Brooklyn ihn also nicht haben kann, dann keine?«
»So ungefähr«, antwortet sie.
Unglaublich! Ich bin gerade mal einen Tag lang hier und habe schon eine Erzfeindin? »Warum erzählst du mir das alles?«
»Sagen wir, ich bin eine gute Samariterin.«
Ich lächle und beschließe, dass ich Catherine vielleicht mögen könnte. Vielleicht finde ich an diesem Ort doch noch eine Freundin. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen einzuwenden, gute Freunde zu haben – Az vermisse ich wahnsinnig. Nicht, dass Catherine sie je ersetzen könnte, aber sie könnte das Leben hier erträglicher machen.
»Danke.«
»Setz dich in der Freistunde morgen einfach zu mir.«
Statt neben Will, soll das wohl heißen – als ob Will sich noch mal zu mir setzen würde. »Gern.«
»Klasse!« Sie stößt sich von den Schließfächern ab und streicht sich den Fransenpony aus den Augen. »Ich muss zusehen, dass ich meinen Bus nicht verpasse. Bis morgen!« Als sie inmitten der Masse von Schülern untertaucht, bemerke ich Tamra, die zwischen einem Jungen und einem Mädchen den Gang entlangkommt. Noch hat sie mich nicht gesehen. Sie lächelt, nein, strahlt übers ganze Gesicht und wirkt glücklicher, als ich sie seit Dads Tod je gesehen habe. Oder selbst davor – seit dem Tag, an dem feststand, dass sie sich nicht verwandeln kann.
Ohne dass ich etwas dagegen tun kann, werde ich auf einmal traurig. Bekümmert und einsam stehe ich in einem völlig überfüllten Flur.
Mums Auto parkt ganz in der Nähe des Ausgangs. Es ist so heiß, dass die Luft flimmert, und mir ist, als schmecke ich Wasserdampf in Mund und Nase. Meine Haut juckt und wird in der heißen Sonne regelrecht gebraten. Ich presse die Lippen fest aufeinander und haste zum Wagen.
Unser rostiger blauer Viertürer reiht sich in eine lange Autoschlange ein.
Tamra, die neben mir geht, stöhnt auf. »Wir brauchen dringend einen eigenen Wagen!«
Ich gebe mir nicht mal die Mühe, nachzufragen, wie sie sich das vorstellt. Schon als Mum den Kombi einige Städte früher gegen das kleinere Modell eingetauscht hat, musste sie noch was drauflegen. Und dann sind da noch Kleinigkeiten wie ein Dach überm Kopf und Essen im Bauch. Wir haben kaum genug zusammenkratzen können, um die Miete und die Kaution für die Wohnung zu bezahlen. Zum Glück fängt Mum heute Abend in ihrem neuen Job an.
Tamra schaut mich schräg von der Seite an. »Nicht, dass man dich hinters Steuer lassen könnte – fahren müsste natürlich ich.«
Ich verdrehe die Augen. Das ist ein Insiderwitz in dieser Familie, der einfach nicht totzukriegen ist: Ich kann zwar fliegen, aber ich kann ums Verrecken kein Auto fahren. Egal, wie oft Mum schon versucht hat, es mir beizubringen, als Fahrerin bin ich ein hoffnungsloser Fall.
Tamra klettert auf den Beifahrersitz und ich auf die Rückbank.
»Na, wie war’s?«, fragt Mum laut und aufgedreht. Schade, dass nicht sie mit Tamra für das
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