Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
überhaupt noch manchmal an mich? Verzweifelt frage ich mich, an wie viel er sich erinnern kann. Wie viel von mir er für immer vergessen hat. Für Tamra ist das alles noch neu. Hat sie mich vielleicht komplett aus seinem Gedächtnis gelöscht? Ich schüttle den Kopf bei dem Gedanken. Ich beiße mir auf die Lippen, bis ich mein eigenes Blut schmecken kann. Dann lasse ich das wunde Fleisch wieder los und sage mir, dass ich einfach nur paranoid bin. Ich habe noch nie von einem Wächter gehört, der mehrere Wochen aus jemandes Gedächtnis löschen kann. Das geht gar nicht. Das darf einfach nicht gehen.
Plötzlich wird mir klar, was ich zu tun habe. Ich muss Tamra fragen. Ich muss herausfinden, ob sie weiß, wie viele von Wills Erinnerungen sie gelöscht hat. Wie viel von mir sie aus seinem Herzen gestrichen hat.
Etwas ruhiger drehe ich mich zur Seite. Morgen, morgen werde ich sie fragen.
Diese Entscheidung bewirkt, dass ich mich irgendwie besser fühle. Sie gibt mir etwas, worauf ich mich freuen kann, auch wenn nichts, was sie sagt, irgendetwas an den Tatsachen ändert.
Will ist weit weg in Chaparral. Und ich werde immer noch hier sein.
Als ich am nächsten Morgen hinaus auf unsere Veranda trete, atme ich erleichtert tief aus, weil unsere Wachhunde zurückgerufen wurden. Vermutlich hat Severin beschlossen, dass unser gestriges Gespräch ausreichend war, um mich im Zaum zu halten.
Es ist noch früh. Dichter Nebel liegt über dem Boden, umschließt meine Waden und wird nach oben hin dünner, als ich mich auf den Weg zu Nidias Haus mache. Ich bin fest entschlossen, Tamra zu fragen, ob sie glaubt, dass ihr Versuch, die Erinnerungen von Will und den anderen zu löschen, erfolgreich war. Schließlich hat sie das zum ersten Mal gemacht. Wie kann sie da sicher sein, dass sie gewusst hat, was sie tut?
Jabels Hund bellt. Ich beschleunige meinen Schritt und stelle mir vor, wie die Jalousien aufgezogen werden. Ich will nicht hier festsitzen und mich mit Cassians Tante unterhalten müssen. Ich werfe einen Blick zurück über die Schulter und frage mich, ob sie der Grund dafür ist, dass Severin unsere Bodyguards nach Hause geschickt hat. Schließlich ist es sehr bequem für ihn, dass seine Schwester mit ihren wachsamen Augen direkt gegenüber von uns wohnt.
Ich hätte besser aufpassen sollen, wo ich hintrete. Ein Schrei entfährt mir, als ich hart mit jemandem zusammenstoße.
Hände schießen vor und bringen mich wieder ins Gleichgewicht. Ich blase mir ein paar zerzauste Haarsträhnen aus dem Gesicht und blicke hoch in das Gesicht von Corbin, Jabels Sohn.
»Jacinda«, grüßt er mich. »Schön, dass du wieder da bist.« Ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen, das nicht wirklich ehrlich wirkt. Aber das ist nichts Neues.
Corbin und ich sind gleich alt – wir gehen seit der Grundschule in dieselbe Klasse. Aber wir waren nie befreundet. Er war schon immer berechnend und hat in der Schule und beim Spielen gemogelt. Hat den Kleineren immer grausame Streiche gespielt. Als klar wurde, dass ich ein Feuerspeier bin, hat er plötzlich sein Verhalten mir gegenüber geändert und versucht, sich bei mir einzuschmeicheln, aber da wusste ich bereits, mit wem ich es zu tun hatte.
Er ähnelt seinem Onkel Severin. Viel mehr als Cassian. Es sind die Augen: Corbin und Severin haben die gleichen toten Augen. Wenn das überhaupt geht, ist er noch ein ganzes Stück gewachsen, während ich weg war. Er ist jetzt fast so groß wie Cassian. Ich löse mich aus seinem Griff und versuche, nicht eingeschüchtert zu wirken.
»Wo willst du hin?«, fragt er.
Ich sträube mich innerlich und muss daran denken, dass seine Mum uns wahrscheinlich heimlich beobachtet, während wir hier stehen. Dass er wahrscheinlich auf der Lauer gelegen und nur darauf gewartet hat, dass ich das Haus verlasse. »Warum willst du das wissen? Haben sie dich etwa beauftragt, mich zu bewachen?«
Er wirft mir ein Lächeln zu, das mich vermutlich für ihn einnehmen soll. »Brauchst du denn einen Bodyguard?«
Ich schüttle den Kopf und bereue es, dass ich mich so defensiv verhalten habe. Wenn ich mich wie eine Gefangene verhalte, dann werden sie mich auch so behandeln. »Ich gehe meine Schwester besuchen.« Um endlich meine krankhafte Angst loszuwerden, dass sich Will nicht an unseren letzten gemeinsamen Abend erinnert. Dass ich aus seiner Sicht einfach verschwunden bin.
»Ach.« Er vergräbt seine Hände tief in seinen Hosentaschen. »Dann begleite ich dich.«
Mir fällt kein
Weitere Kostenlose Bücher