Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
ganzen Bibliothek so gut wie gar nichts wirklich selbst in die Hand nehmen.
Als ich näher komme, kneift sie die Augen zusammen. Sie ist so ziemlich die einzige Draki, die ich kenne, die eine Brille braucht. Alle Drakis haben sehr scharfe Augen, sodass ich sicher bin, dass ihre Sehschwierigkeiten auf das jahrhundertelange Lesen bei schlechtem Licht zurückzuführen sind.
»Jacinda«, sagt sie flach und in einem Tonfall, den ich gar nicht an ihr kenne. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich nicht das kleinste bisschen. Sie steht noch nicht einmal auf und kommt hinter ihrem Schreibtisch hervor. Mein Anblick berührt sie nicht im Geringsten. Und mir wird klar, dass sie Bescheid weiß … dass sie wahrscheinlich bereits seit gestern den Klatsch auf den nebligen Straßen des Rudels aufgeschnappt hat.
Ich habe mich fast den ganzen Tag lang versteckt gehalten, in der Hoffnung, dass Cassian wider Erwarten doch seine Schwester in die Schranken weisen konnte. Mum allerdings hat das Haus verlassen, und als sie zurückgekommen ist, hat ein Blick in ihr grimmiges Gesicht genügt, um zu wissen, dass Miram ihr Werk bereits vollbracht hatte.
»Hallo, Taya.« Ich mache eine Pause und atme den moderigen Geruch der Bücher, der mir entgegenschlägt, tief ein. »Ich habe das hier ganz schön vermisst.« Ein unangenehmes Schweigen macht sich zwischen uns breit. »Na dann.« Ich bemühe mich, ein Lächeln zustande zu bringen. »Was hast du heute für mich zu tun?«
Taya blinzelt. »Hat es dir denn noch niemand gesagt?«
»Mir was gesagt?«
Missmutig schürzt sie die Lippen – nicht wegen der Nachricht, die sie mir gleich überbringen wird, sondern weil sie diejenige ist, die sie mir mitteilen muss. »Deine Stelle ist besetzt worden.«
»Besetzt?«, wiederhole ich.
»Ganz genau.« Sie nickt nachdrücklich.
Auf einmal höre ich es. Mir wird ganz elend zumute, als ich ein sanftes Summen höre, das die Stille in der Bibliothek durchbricht. Es ist eine unaufdringliche, kaum merkliche Melodie und ich weiß sofort, von wem sie kommt und wer gleich um die Ecke biegen wird.
Miram taucht auf und hat einen Stapel Bücher in der Hand. Sie bleibt stehen, als sie mich sieht, und verzieht keine Miene. Natürlich nicht.
»Was machst du denn hier?« Ihre Lippen, die fast genau dieselbe Farbe haben wie ihre seltsam neutrale Haut, bewegen sich kaum.
»Ich arbeite hier. Zumindest dachte ich, dass das so wäre.«
»Da hast du falsch gedacht. Seit du weggegangen bist, hat sich hier viel verändert.«
Ich beginne zu verstehen, wie viel.
Taya sieht von mir zu Miram und wieder zurück. So viel Unterhaltung bekommt sie wahrscheinlich die ganze Woche nicht. Mit einem schwachen Lächeln und einem entschuldigenden Schulterzucken, das keinerlei echtes Bedauern ausdrückt, widmet sie sich wieder ihrer Arbeit.
Miram winkt mir mit spitzen Fingern zu. »Wiedersehen.«
Wortlos mache ich kehrt, gehe zur Tür hinaus und an der Schule vorbei und versuche, die starrenden Blicke, das indiskrete Flüstern und die auf mich zeigenden Finger so gut es geht zu ignorieren.
Ich befinde mich fast auf Höhe des Bürgersaals, als mich etwas am Kopf trifft. Ich schwanke, halte mir das Gesicht und bin eher erstaunt als verletzt. Es war ein Ball.
Gelächter und spöttische Rufe sind zu hören, gefolgt von dem Geräusch davonflitzender Kinderfüße. Hitze steigt in mir hoch und breitet sich von innen nach außen aus. Es ist kein Unfall gewesen. Tränen brennen in meinen Augen, und das macht mich wütend. Ich hasse es, Schwäche zu zeigen – dass ich mich von einem Kinderstreich aus der Fassung bringen lasse. Ich stütze mich auf die niedrige Steinmauer neben dem Bürgersaal und versuche, mich wieder zu fassen. Ich werde nicht heulen.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Als das Pochen in meinen Wangen stärker wird, steigt Dampf in mir auf. Ich schließe die Augen und atme tief ein, um meine Lunge abzukühlen. Diese Wut ist ein gefährliches Gefühl, dieses Feuer, das in mir hochsteigt und hinausdrängt. Und nicht nur, weil mich ein paar Kinder mit einem Ball beworfen haben. Es kommt jetzt einfach alles zusammen. Az ignoriert mich. Taya hat mir eine Abfuhr erteilt … dabei dachte ich immer, dass sie mich leiden kann. Ich schniefe und reibe mir die brennende Nase.
Wahrscheinlich hätte ich darauf gefasst sein müssen. Wahrscheinlich habe ich genau das verdient. Die Kinder, die auf der Straße gespielt haben – ich habe auch sie in Gefahr gebracht. Das darf ich nie
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