Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
verzweifelten Rhythmus. Hitze steigt in mir auf, ein wildes, feuriges Brennen in meiner Kehle.
Ich recke den Hals, um eine bessere Sicht auf den Eindringling zu bekommen. Ein Großteil seiner Gestalt wird von den anderen ebenso verdeckt wie von dem dichten Nebel, der durch die Siedlung wabert. Ich kann seinen Rücken erkennen sowie den Umriss seiner breiten Schultern und muss plötzlich schlucken. Ich trete näher heran und balle meine Hände so fest zu Fäusten, dass sich die Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen bohren.
Hinter mir bemerke ich hastige Schritte und werfe einen Blick zurück. Ein paar andere sind uns gefolgt: Cassian, Corbin, Miram und Az …
»Tamra!« Jetzt hat Severin sie gesehen. Er ruft nach ihr und wedelt mit einer Hand, als wäre sie ein Tier, das Befehle von ihm entgegenzunehmen hat. »Hierher!«
Tamra geht vor in die Mitte der Gruppe und versperrt mir damit endgültig die Sicht. Stirnrunzelnd verlangsame ich mein Tempo und bleibe schließlich stehen, als Tamra sich urplötzlich umdreht. Ihr Blick trifft auf meinen.
Das Blut schießt mir in den Kopf.
Ihr Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte.
Nein. Nein, nein, nein …
Es kann einfach nicht er sein.
Ich schüttle langsam den Kopf und will es nicht wahrhaben. Vor allem aber will ich, dass Tamra sich umdreht und sich normal verhält, damit Severin und die anderen keinen Verdacht schöpfen.
Dann verlagert sich die Menge ein wenig und ich sehe Will. Meine Blicke verschlingen ihn geradezu und ich starre ihn so durchdringend an, dass meine Augen wehtun. Das störrische honigbraune Haar fällt ihm noch immer über die Stirn. Sein kräftiger Kiefer wirkt so unerbittlich wie eh und je. Er ist hier. Will hat sein Versprechen gehalten. Und dann denke ich, nein. Will kann sich unmöglich an dieses Versprechen erinnert haben. Völlig ausgeschlossen. Tamra hat seine Erinnerungen gelöscht. Vielleicht ist er ungewollt hier. Vielleicht hat er seine Gruppe verloren und ist rein zufällig über unsere Siedlung gestolpert …
Meine Lippen bewegen sich, aber ich sage kein Wort. Ich traue mich nicht. Ich schüttle den Kopf und frage mich, ob ich mir das alles nur eingebildet habe, nur eine Vision von ihm heraufbeschworen habe und er in Wirklichkeit gar nicht hier ist.
Einen Augenblick lang berste ich schier vor Freude, doch dann überwältigt mich der Schrecken darüber, ihn hier in der Stadt zu sehen, nur wenige Meter von Severin entfernt.
Er wendet sich ab, um auf eine Frage zu antworten, die Nidia ihm gestellt hat – wahrscheinlich geht es um die Einzelheiten, wie er sich verlaufen hat, ganz allein, so hoch auf dem Berg, fernab von jeder befestigten Straße. Ich mustere ihn genau und kann die geschwungene Silhouette seiner Gesichtszüge in der Dunkelheit und dem ewigen Nebel ausmachen.
Dann sieht er mich und ich weiß, dass in seinem Blick nicht einfach nur ein Ausdruck des Wiedererkennens liegt. Seine haselnussbraunen Augen leuchten so zufrieden, dass ich weiß, dass er sich erinnert. Irgendwie. Er erinnert sich an alles. Er hat sich an sein Versprechen mir gegenüber erinnert und hält es tatsächlich.
Er ist meinetwegen hier.
Glücklicherweise hört meine Schwester auf, mich anzuglotzen, bevor jemand es mitbekommt und anfängt, sich über ihr Verhalten zu wundern. Ich schüttle kurz und heftig den Kopf, um Will zu verstehen zu geben, dass er vorsichtig sein und nicht zeigen soll, dass er mich kennt. Er nickt kaum merklich, um mich wissen zu lassen, dass er mich verstanden hat.
Jede Faser meines Körpers brennt darauf, die Entfernung zwischen uns zu überbrücken. Meine Hände öffnen und schließen sich zu beiden Seiten meines Köpers und sehnen sich so sehr danach, ihn zu berühren. Danach, zu spüren , dass er es wirklich ist. Hier. Jetzt. Danach, dass seine Stimme in leichten Wellen durch meinen Körper schwingt wie früher. Diese samtweiche Berührung hat mich in Chaparral wieder zum Leben erweckt und mir durch die Zeit dort geholfen. Damals hat sie meine Tage mit Leben erfüllt und seitdem meine Träume.
Die Welt um mich herum versinkt, während ich ihn ansehe. Ich blende aus, wo wir uns gerade befinden. Und in welcher Gefahr …
Tief im Inneren weiß ich, dass Tamra Will nicht verraten wird, und zwar nicht nur aus Loyalität mir gegenüber. Meine Schwester ist keine Mörderin und sie weiß, dass ein Wort von ihr seinem Leben ein Ende bereiten kann. Egal, ob richtig oder falsch, sie würde es nicht tun. Sie würde
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