Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
es nicht übers Herz bringen.
Aber das bedeutet noch lange nicht, dass er in Sicherheit ist.
Ich spüre einen Luftzug, als sich jemand neben mich stellt, und sehe Cassian, der Will aus der Ferne anstarrt. Einen Augenblick lang hatte ich tatsächlich vergessen, dass es noch jemand anderen gibt, der Will wiedererkennen könnte. Ich folge seinem Blick und habe Mühe, genügend Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen, während ich zu verarbeiten versuche, dass Cassian gerade Will anstarrt – hier auf seinem Terrain . Den Jungen, den er fast umgebracht hätte, als sie zusammen den Abhang hinuntergefallen sind. Ich habe das elende Gefühl, als würde sich eine giftige Schlange in meiner Magengrube ringeln.
Nichts hält Cassian davon ab, diesen Kampf zu Ende zu bringen. Er ist nicht wie Tamra. Er ist absolut dazu fähig, jemanden zu töten. Es liegt geradezu in seiner Natur: Onyxdrakis töten seit Jahrtausenden, das können sie am besten. Ich befinde mich mitten in einem wahr gewordenen Albtraum.
Ich blicke zurück zu Will. Zwei bewaffnete Wachposten, mit denen ich in der Grundschule in eine Klasse gegangen bin, flankieren ihn wie einen Gefangenen. Wenn er Glück hat, bemerken sie nicht, wer er wirklich ist … was er mir bedeutet. Nidia wird einfach seine Erinnerungen löschen – auch wenn das bei ihm offensichtlich nicht viel nützt – und ihn dann laufen lassen. Solange ich mich ruhig verhalte. Solange Will nichts preisgibt. Solange Cassian nichts sagt oder tut.
Ängstlich werfe ich einen verstohlenen Blick auf Cassian und versuche in Gedanken, ihn dazu zu bewegen, nichts zu sagen – Stillschweigen zu bewahren und Will zu verschonen.
Sein Gesicht wirkt streng, fast gequält, als er mir tief in die Augen sieht. »Bitte«, sage ich lautlos mit den Lippen. Mehr wage ich nicht, da Miram zu uns herüberkommt und sich mit vor der Brust verschränkten Armen in kampfbereiter Haltung neben uns stellt.
»Ein Wanderer?«, fragt sie.
Ohne den Blick abzuwenden, antwortet Cassian: »Sieht so aus.«
»Ob sie ihn wohl als Test für Tamra benutzen?«, fragt sich Corbin laut.
»Wahrscheinlich«, sagt Miram und stellt sich auf Zehenspitzen, um einen besseren Blick auf den Wanderer zu erhaschen.
Ich widerstehe dem Drang, weiter nach vorn zu gehen, und versuche, nicht allzu neugierig zu wirken, um nicht den Verdacht zu erwecken, dass Will und ich uns kennen.
»Er ist jung«, sinniert Miram. »Und süß.«
Az prustet los: »Für einen Menschen vielleicht.«
»Ja, für einen Menschen«, stimmt Miram ihr zu und wirft mir einen verschlagenen Blick zu.
»Was meinst du denn, Jacinda? Du bist doch die Expertin in Sachen süße Menschenjungs. Wie schlägt er sich denn so im Vergleich zu den anderen?«
Hitze kribbelt auf meinem Gesicht und ich bemühe mich nach Kräften, angesichts ihrer gehässigen Bemerkungen ruhig und gleichgültig zu wirken.
»Das reicht, Miram«, fährt Cassian sie an.
»Schaut«, sagt Corbin, »jetzt führen sie ihn ins Haus.« Dann lacht er. »Der Typ wird bald keine Ahnung mehr haben, was eigentlich los war.«
Will blickt nicht in meine Richtung, als er in das Haus geführt wird, aber ich weiß, dass er ebenso an mich denkt wie ich an ihn. Mein Körper verzehrt sich mit jeder Faser nach ihm. Was hat er sich nur dabei gedacht? Er muss doch wissen, wie gefährlich es für ihn ist, auch nur in die Nähe des Rudels zu kommen. Es ist schmerzhaft, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Sosehr ich auch versucht habe, ihn aus meinem Gedächtnis zu streichen, er hat mich nie vergessen. Bedeutet das, dass er stärker ist als ich? Oder schwächer?
Alle gehen hinein, bis auf die beiden Wachposten, die an der Tür stehen bleiben. Wenn alles glattläuft, wird Nidia mithilfe von Jabel das tun, was sie am besten kann. Und mithilfe von Tamra, nehme ich an. Dann fällt mir plötzlich ein, dass Jabels Gabe vielleicht wirklich bei ihm funktioniert. Was, wenn sie Erfolg hat und er völlig verwirrt wieder aus dem Haus herauskommt, mit einem Kopf voller falscher Erinnerungen, und Wahrheit und Erfindung nicht auseinanderhalten kann?
Ich verdrehe meine Finger, bis es schmerzt. Ich kann nur warten. Und hoffen, dass er sich wieder erinnert.
Und was dann? Er weiß, wo sich das Rudel befindet … wo ich mich befinde. Er hat mich hier gesehen. Er wird wiederkommen. Wenn sie ihn noch einmal hier erwischen, wissen sie, dass er anders ist – dass seine Erinnerungen nicht gelöscht werden können.
»Komm mit.« Cassian nimmt mich am
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