Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
die Tür, verschränke die Arme und sehe ihm ins Gesicht.
Sein Schatten fällt auf mich, eindringlich, nah. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Trotz allem scheine ich unfähig zu sein, mich vom Fleck zu bewegen. »Was willst du hier?«
Er sagt kein Wort. Er steht einfach nur ganz nah bei mir und seine Augen bohren sich so tief in mich, dass ich einmal mehr das Gefühl habe, er könnte geradewegs in mein Innerstes sehen. Könnte mein wahres Ich hinter der Fassade erkennen. Hinter dem Mädchen. Hinter der Draki. An Fleisch und Blut und Feuer vorbei. Wenn er aber wirklich in mich hineinsehen könnte, dann wüsste er auch, dass ich mich nicht von Will verabschieden konnte. Dann wüsste er, dass ich ihn angelogen habe. Er wüsste, dass es mir jetzt schwerfällt, ihm ins Gesicht zu sehen, weil meine hässlichen Lügen zwischen uns stehen.
Mein Blick bleibt an seinem Mund hängen, an den Lippen, die meine geküsst haben. Meine Augen verweilen dort, bis sich meine Brust zusammenzieht und mir das Atmen schwerfällt. Er hebt die Hand und ich zucke zusammen.
Weil ich mir dabei dumm vorkomme, behaupte ich meine Stellung, als sein Daumen über meine Wange streicht.
»Was machst du denn da?«, flüstere ich.
»Dich berühren.«
Seine Fingerspitzen gleiten über mein Kinn, meine Unterlippe, so weich, so schmeichelnd, und ich weiß, was er will. Ich kann es an der Art ablesen, wie er mich berührt, wie seine dunklen Augen mich verschlingen. Er atmet meinen Namen.
Eine Sekunde lang gebe ich Cassians Drängen nach und mache dann plötzlich einen Satz von ihm weg.
Es sind keine plötzlichen Schuldgefühle, die uns auseinandertreiben.
Es ist das Geräusch eines plötzlichen Atemholens. Und da wird mir klar, dass wir nicht allein sind.
14
I ch drehe mich um die eigene Achse und mein Blick trifft auf den meiner Schwester. Ihr Gesicht ist ganz rot und ihre Wangen haben eine Farbe, die auf ihrer Alabasterhaut fast obszön wirkt.
Mir wird erst kalt und dann heiß. »Tamra.« Ihr Name verlässt kaum hörbar meine Lippen und klingt eher wie ein schmerzerfülltes Winseln, das in meinem Hals hochsteigt. Ihre frostblauen Augen zucken von mir zu Cassian und wieder zurück.
»Was?«, ruft sie herausfordernd und in einem harten, grausamen Tonfall, der so gar nicht zu ihrem Äußeren passt – sie wirkt erschüttert und zerbrechlich und sogar noch bleicher als sonst. »Was ist es denn? Was um alles in der Welt ist so verdammt besonders an ihr?« Bei dieser Frage sieht sie nur Cassian an. »Sag schon!«
»Nichts«, beginne ich. »Nichts, Tam –«
Wütend dreht sie sich zu mir um. »Ich rede mit Cassian, Jacinda!« Sie wendet sich wieder ihm zu. »Das will ich wirklich mal wissen. Unsere Gesichter sehen schließlich genau gleich aus!« Zähneknirschend schränkt sie ein: »Na ja, zumindest weitgehend.« Sie streicht sich eine silberne Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und jetzt bin ich nicht nur eine richtige Draki, sondern habe eine Gabe, die sich mit Jacindas durchaus messen kann. Also, was ist es?« Ihr blasser Blick glitzert vor Wut, als sie verzweifelt und gierig mit den Augen in seinem Gesicht nach einer Antwort sucht.
Cassian steht lange einfach da, ohne ein Wort zu sagen. Ich leide schweigend vor mich hin und warte darauf, dass er ihr sagt, dass es nichts Besonderes an mir gibt, dass er einfach aus Gewohnheit immer wieder zu mir zurückkommt.
Tamra schüttelt langsam den Kopf. »Sag es mir einfach.« Ihre nächste Frage stellt sie mit so leiser, schwacher Stimme, dass es mir einen Stich versetzt. »Warum nicht ich?«
Endlich antwortet Cassian, in gesenktem, schmerzerfülltem Ton: »Ich weiß es nicht. Ich hab’s versucht … ich habe es wirklich versucht, seit wir zurückgekommen sind … Aber du bist einfach nicht Jacinda.«
Seine Worte bewirken etwas in meinem Inneren, das ich lieber unterdrückt hätte. Einen Augenblick lang genieße ich das wohlige Gefühl in meinem Herzen und erlaube mir zu glauben, dass ich etwas Besonderes für ihn bin. Dass er mehr in mir sieht als nur die Feuerspeierin; dass man ihm eingetrichtert hat, sie zu bevorzugen.
Tamra sieht aus, als hätte man ihr gerade einen schweren Schlag versetzt. Auf der blassen Haut an ihrem Hals sind schwachrote Flecken zu erkennen. »Ach ja? Schade nur, dass sie nicht dieselben Gefühle für dich hat. Du wirst nie die erste Wahl für sie sein, weißt du. Denk mal darüber nach. Wenn sie mit dir zusammen ist, wird sie ihn vermissen.«
Dann verschwindet sie.
Ich
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