Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
dass wir bei unserem nächsten Treffen zusammen von hier weglaufen.
Und vielleicht hat er recht damit.
»Mittags«, sage ich. Tagsüber ist es zwar riskanter, mich davonzustehlen, aber zumindest kann ich ihn dann besser sehen. Kann das Spiel der Farben in seinen Augen sehen, die Gold- und Grün- und Brauntöne seiner Iris. Das glänzende Braun seiner Haare. Danach sehne ich mich so sehr.
»Ich werde da sein.«
»Ich auch.« Irgendwie. Nichts kann mich davon abhalten. Und vielleicht ist das bereits die Antwort auf die Entscheidung, die ich letzten Endes treffen muss.
Wenn ich nicht ohne ihn leben kann, was bleibt mir denn dann für eine Wahl?
13
G ebückt stehe ich vor den Siedlungsmauern, verstecke mich im hohen Gras und nehme allen Mut zusammen, während ich die einsame Gestalt nicht aus den Augen lasse, die am Eingang Wache steht. Vorhin hatte Cassian ihn abgelenkt, damit ich mich unbemerkt rausschleichen konnte.
Nervös kaue ich auf meinem Daumen herum und denke an das, was Cassian über das Zurückkommen in die Siedlung gesagt hat. Das ist überhaupt kein Problem. Der Wachmann wird nicht wollen, dass jeder im Rudel weiß, dass du es geschafft hast, dich an ihm vorbeizuschleichen.
Ich hoffe inständig, dass er recht hat, und marschiere mit festen Schritten auf den bogenförmigen Eingang zu. Wenn ich mich schon nicht besonders selbstbewusst fühle, dann schaffe ich es zumindest ziemlich gut, so zu wirken.
»Hi, Levin«, sage ich beiläufig und mit ruhiger Stimme. »Was gibt’s Neues?«
Als er meine Stimme hört, schießt Levin hoch wie von der Tarantel gestochen und seine lebhaften wasserblauen Augen weiten sich. »Jacinda! Was machst du –« Schuldbewusst sieht er sich um, wohl aus Angst, Severin höchstpersönlich könnte hinter ihm stehen und sein Versagen unmittelbar mitbekommen. Viel leiser stottert er: »Was machst du denn draußen vor der Mauer?«
Ich vergrabe meine Hände noch tiefer in den Taschen meiner Jeans. »Ich bin nur ein bisschen spazieren gegangen.« Ich wippe auf den Fußballen auf und ab. »So wie du vorhin. Stimmt’s? Als du eigentlich Wache stehen solltest.«
Obwohl es so dunkel ist und der feuchte Nebel in neckenden Schwaden um uns herumzieht, kann ich sehen, wie er rot wird.
»Äh, ja.«
»Schau, das ist keine große Sache.« Ich zucke mit den Schultern. »Ich werde es keinem erzählen …« Ich beende den Satz nicht und lasse Levin zwischen den Zeilen lesen.
»Ja«, sagt er schnell. »Ich auch nicht. Geh einfach weiter.« Er zeigt hinter sich. »Geh schon.«
Zufrieden gehe ich an ihm vorbei. »Danke.«
Kurz vor Nidias Haus zögere ich und mir entwischt ein Lächeln. Die Fenster sind dunkel. Nidia und Tamra sind wahrscheinlich beide schon eingeschlafen, erschöpft von ihren heutigen Versuchen, Wills Erinnerungen zu löschen.
Ich schaue hinauf zum Himmel und denke daran, wie meine Schwester durch die schwarze Nacht geflogen ist, ganz berauscht von diesen neuen und magischen Eindrücken.
Ein Geräusch durchbricht die unheimliche nächtliche Stille. Kies knirscht unter dem Gewicht von Füßen. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich bleibe stehen und glaube im ersten Moment, dass Levin es sich anders überlegt hat und mir gefolgt ist, um mich doch anzuschwärzen.
Ich zaubere ein Lächeln auf meine Lippen, drehe mich um und will gerade anfangen, ihn dazu zu überreden, besser zu vergessen, dass er mitbekommen hat, wie ich mich in die Siedlung zurückgeschlichen habe.
Doch da ist kein Levin.
Ich runzle die Stirn und kann aus der Entfernung erkennen, dass er noch immer auf seinem Posten steht. Ich drehe mich wieder um und blicke angestrengt in die grauen Nebelschwaden hinein, die mich in schier endloser Flut umgeben. Feuchter Dampf legt sich in einer dünnen Schicht über meine Haut.
Doch auch hier ist niemand.
Der Wind ändert die Richtung und bläst den Nebel woandershin. Die Strähnen um mein Gesicht werden hochgewirbelt und kitzeln mich an den Wangen.
Knacks.
Jetzt bin ich mir sicher, dass da irgendjemand ist, und drehe mich mit fliegenden Haaren in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist.
»Hallo?« Meine Stimme durchschneidet die nächtliche Stille. »Wer ist da?«
Ich starre in die nebelgesättigte Luft, die wie Rauch flimmert, und warte darauf, dass ein Mitglied der Patrouille daraus hervortritt, doch wieder ist da niemand. Instinktiv spannt sich meine Haut an und Hitze steigt in mir auf. Eine Patrouille würde sich nicht verstecken.
Dennoch
Weitere Kostenlose Bücher