Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
Korn wirft. Doch dann denke ich an alles, was ich aufs Spiel setze, und an alle, die ich in Gefahr bringe. An die vielen Leben, die davon betroffen wären, würde ich mich jetzt für Will entscheiden. Und das kann ich einfach nicht zulassen. Hier geht es nicht allein um mich.
»Eine Woche«, wiederholt er.
Ich überlege, ob er das vielleicht nur macht, weil er so eine Möglichkeit sieht, mich wiederzusehen und mehr Zeit mit mir zu verbringen … um mich dazu zu überreden, es mir doch noch anders zu überlegen. Aber es könnte auch Mirams einzige Chance sein.
Ich fasse nach dem Türgriff und drücke ihn hinunter.
»Jacinda?«
Beim Klang meines Namens blicke ich ihn wieder an und spüre die vertraute Sehnsucht in mir aufsteigen.
»Um zwölf Uhr mittags. Genau in einer Woche«, willige ich ein.
»Ich werde da sein.« Er nickt, ohne zu lächeln, und wendet seinen Blick nicht von meinem ab, zeigt aber keinerlei Reaktion dabei. Er legt seine Hand auf meine, die auf dem Sitz ruht. Meine Haut kribbelt heiß unter seiner Berührung. Schmerzerfüllt schließe ich die Augen und die Egoistin in mir will immer noch einfach mit ihm mitgehen.
Ich befreie meine Hand und steige aus dem Landrover.
Einen Augenblick lang starre ich gedankenverloren auf den tiefen, stillen Wald vor mir. Die vielen Kiefern werfen lange Schatten. Der Wind wirbelt raschelnd Blätter auf. Ich spüre Wills Blick auf mir, drehe mich aber nicht um. Die Versuchung wäre zu groß. Es wäre viel zu schwer, weiterzugehen.
Ich atme tief ein und renne los. Ich sprinte zwischen den Bäumen hindurch, die mir so vertraut sind wie alte Freunde. Nur dass sie jetzt gar nicht mehr so freundlich wirken. Sie kommen mir eher wie Gefängnismauern vor.
Der Wachposten bedeutet mir, am Tor zu warten, und spricht mit gedämpfter Stimme in sein Funkgerät. Bestimmt redet er mit Severin. Mit wem sonst?
Ich funkle den Jungen wütend an, während ich unter dem efeubewachsenen Torbogen warte … wie eine Außenstehende, der der Zugang gewährt oder verweigert werden kann.
Ich entdecke Nidia, die in der offenen Tür zu ihrem Häuschen steht und mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck ansieht. Noch nicht einmal sie kommt her, um mich in Empfang zu nehmen. Habe ich sie jetzt tatsächlich auch noch verloren?
Meine Schwester ist nirgendwo zu sehen. Ich frage mich, ob sie sich in Nidias Haus befindet. Ob sie spürt, dass ich hier bin, dass ich zurückgekommen bin – oder ob es ihr einfach egal ist. Ob sie denkt, dass ich sie allein zurückgelassen habe. Bei dieser Vorstellung wird mir ganz schlecht und ein Gefühl der Leere breitet sich in mir aus. Schließlich war sie einer der Hauptgründe dafür, dass ich überhaupt zurückgekommen bin. Sie beide: Tamra und Mum.
Jetzt kommt Severin ans Tor und mustert mich von Kopf bis Fuß mit einem Blick, der so schwarz und unergründlich ist wie das Weltall.
Mehrere Ältere begleiten ihn, etwas außer Puste von ihrem Versuch, mit Severins strammem Laufschritt mitzuhalten.
Für Cassian hingegen ist das gar kein Problem. Er ist auch da, an der Seite seines Vaters, und sein Blick giert nach mir, gleitet an mir hinab, als wollte er sich vergewissern, dass ich tatsächlich heil und unversehrt zurückgekehrt bin.
Wenigstens eine Person, die sich freut, mich zu sehen.
Cassian macht einen Schritt nach vorn und fasst mich an den Armen. »Jacinda.«
Der rauchige Klang meines Namens aus seinem Mund, so voller Erleichterung, Hoffnung und Erwartung, bringt mich dazu, doch einen Blick über meine Schulter zu werfen und mir zu wünschen, dass ich noch immer bei Will wäre – anstatt tragische Nachrichten überbringen zu müssen.
Cassians Hände gleiten über meine Arme hinunter zu meinen Fingern und verschränken sich mit ihnen.
»Wo ist Miram?« Da stellt Severin auch schon die Frage. Die Frage, um deren Antwort willen ich nach Hause zurückgekommen bin. Ich blicke zuerst ihn an und dann wieder Cassian. Cassian mit seinem tiefen, durchdringenden Blick. In dem noch immer Hoffnung liegt. In dem stets Hoffnung liegt. Seine Daumen beschreiben kleine Kreise auf meinen Handrücken.
Während ich zögere, stellen die anderen Umstehenden dieselbe Frage.
Wo ist Miram? Wo ist Miram?
»Ich –« Ich befeuchte meine trockenen Lippen.
»Wo ist meine Tochter?« Severins Stimme grollt wie Donner durch die Luft. Dann sage ich es endlich. Spucke die Worte aus wie ein schreckliches Gift, von dem ich mich befreien muss. »Sie ist von Jägern
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