Firkin 05 - Fahrenheit 666
ihnen nur eine geistliche Lehre anbieten müssen, die all das beinhaltete, und ihrer Frömmigkeit wären keine Grenzen gesetzt gewesen.
Der ahnungslose Pfarrer Schimpf wußte darüber zwar so gut wie nichts, doch in diesem Augenblick war er sowieso viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit den Herzensangelegenheiten der D’vanouinen zu beschäftigen. Da stand es, sie hatten es direkt vor Augen, schwarz auf weiß ins D’vanouinische übersetzt.
Die neunjährige Übersetzerin kroch, wie vom Teufel besessen, unter einer Zeltklappe hervor und beobachtete alles mit fast dem gleichen lebhaften Interesse wie der echte Teufel einige hundert Meter weiter unten. Überall im Zelt stieß man sich mit den Ellenbogen ermunternd an, deutete fasziniert mit dem Finger auf besonders prägnante Textstellen und raunte erstaunt vor sich hin. Dort in den Büchern vor ihnen stand in perfektem D’vanouinisch die Botschaft geschrieben.
›Ja, auch wenn ich auf dem Pfad der Schuld wandle, so ist’s mir doch scheißegal.‹
Als man zum allgemeinen Erstaunen die vielen schnurrbärtigen Engel auf den Zierrändern des illuminierten Textes herumtollen sah, waren die ersten glucksenden Lacher im Zelt zu hören. Und auf der nächsten Seite stand in Großbuchstaben eine Geschichte geschrieben, die von einer Wandergottheit erzählte, die unentwegt auf Feste ging, um dort eimerweise Wasser in Fässer zu schütten, das sich dort in fünfundzwanzig Jahre alten Whisky verwandelte.
›Gesegnet sei der reine Geist des Korns,
denn er ist das Lebenswasser.‹
Und die Forderungen nach Läuterung der Seelen wurden immer lauter, denn auf der nächsten Seite war eine Verlautbarung zu lesen, die so überzeugend klang, daß sie in den Herzen der versammelten Nomaden einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Es wurde die absolute Religionssicherheit und das Versprechen auf eine Periode hemmungsloser Ausschweifungen und Verwüstungen verkündet, wofür die Bezeichnung ›Chaos‹ noch viel zu harmlos sei. Weiterhin stand dort klar und deutlich der heilige Aufruf zum bewaffneten Widerstand …
›Fürchtet euch nicht vor der tiefsten Finsternis der Nacht;
laßt eure Opferlämmer hell leuchten und lacht.‹
Mit einem markerschütternden Schrei, der selbst dem hartgesottensten Schafhirten das Blut in den Adern hätte erstarren lassen, bekundeten die D’vanouinen ihr Interesse an dieser Religion. Offenbar handelte es sich um einen guten Glauben, der das Feiern von Festen beinhaltete und nach Opferlämmern verlangte … und wenn anschließend noch genügend für Kebabs übrigblieb. Nun, wer hätte ihnen das verdenken können?
Alea rieb sich die Hände, denn Hochwürden Pfarrer Gotthelf Schimpf hatte zum ersten Mal in seinem Leben eine hundertprozentige Bekehrungsquote erreicht. Lediglich als er beobachtete, wie die Stammesangehörigen voller Eifer Landkarten von Südrhyngill aus den Satteltaschen zogen und auf die am wenigsten geschützten Schafställe zeigten, kamen leichte Zweifel in ihm auf.
Dabei hätte er sehr viel besorgter sein müssen.
Spätestens dann, als die D’vanouinen mit lautem Gebrüll begeistert aus den Zelten stürmten und Seile, Netze und ganze Kisten mit Krummsäbeln auf den Rücken der Kamele warfen, um in einer gewaltigen Staubwolke davonzudonnern, wobei jeder johlend einen roten Wälzer vor sich hin und her schwenkte.
Erschöpft von der anstrengenden Jagd, schlich sich das Warzenschwein leise schnaufend hinter den Rücken seiner Beute und blieb wie angewurzelt stehen, die Schnauze so nahe am Gras, daß der gespannte Atem einige Grashalme bewegte.
Der über Generationen geprägte Instinkt schwirrte ihm durch den Verstand, während es die beste Möglichkeit zum Heranpirschen berechnete. Die Beuteopfer waren ängstlich; eine falsche Bewegung, ein kleiner Fehltritt nur, und alles wäre umsonst gewesen. Doch wenn es sich ein kleines Stück an der Rückseite dieses Felsblocks vorbeischliche, um dann am kleinen Bach entlangzugehen und drüben auf der anderen Seite wieder herauszukommen, dann …
Ein scharfer Pfiff durchbrach die Stille und sendete mit Schallgeschwindigkeit eine verschlüsselte Nachricht durch das Tal.
Das Warzenschwein schüttelte ungläubig den zotteligen, mit hauerförmigen Eckzähnen und warzenartigen Hauthöckern überkrusteten Kopf. Zurück hinter den Baumstumpf? Lieber nicht. Wenn die auch nur einen Blick von mir erhaschen, sind die in null Komma nichts über alle Berge … Moment, es
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