Firkin 05 - Fahrenheit 666
verglichen mit d’Abaloh – in den letzten drei Tagen erreicht hatte. Allein durch die Manipulation eines neunjährigen Mädchens und praktisch mit dem Schnippen der kleinen Kralle war es ihm gelungen, die D’vanouinen, die Schäfer und die gesamte klösterliche Bevölkerung der Abtei Synnia an den Rand eines Krieges zu bringen. Noch ein kleiner Anlaß, und alle diese Leute hätten die Grenze zum tosenden Inferno unkontrollierbarer Wut überschritten. Welch ein Vergnügen könnte d’Abaloh daran finden!
Nabob, der an Flagit längst keinen Gedanken mehr verschwendete, aalte sich erneut in ausgelassener Selbstbeweihräucherung und krächzte laut vor Lachen, während er sich im Geist selbst auf die schuppige Schulter klopfte. Welch ein Geniestreich von ihm, die Telepenetranz in die Unterwelt einzuführen! Nie zuvor hatte die Zukunft so schlecht ausgesehen.
Schnaufend und keuchend wie eine unter Altersschwäche leidende Schildkröte, die gerade von einem überheblichen Hasen im Wettlauf vernichtend besiegt worden war, stieß Papst Uri der Dreiunddreißigste die Tür zum Westflügel der Abtei Synnia auf und taumelte durch die Kreuzgänge auf seine Zimmerflucht zu.
Es war eine anstrengende Verfolgungsjagd gewesen; durch die engen und verwinkelten Gänge des Klosters hatte er diesen gräßlichen Missionar der Harnischgemeinde verfolgt und zusehends Boden wettgemacht. Wenn Uri nicht mit solcher Geschwindigkeit durch die Hintertür hindurchgestürmt wäre und auf den Saum seiner alten Robe getreten hätte, so daß er wieder einmal Socke über Mitra auf die Nase gefallen war, hätte er diesen Pfarrer Schimpf sogar geschnappt. Und in diesem Fall war es besonders erschreckend gewesen, wie schnell seine heilige Nase mit dem Boden Bekanntschaft machen mußte.
Was er in diesem Augenblick brauchte, war ein ausgiebiges heißes Bad, um sich von den blauen Flecken auf seinem Rücken zu befreien, über den die AS-Mönche und einhundert wütende Schäfer getrampelt waren. Ja, ein schönes heißes Bad und einen Krug Met; die richtige Entspannung, um genau zu planen, was er mit dieser schafestehlenden Bande von heruntergekommenen Herumtreibern …
»… ich habe gefragt, ob du ihn gefangen hast, Onkel«, wiederholte das kleine Mädchen, dessen kurze Zöpfe mit rot-weißen Schleifen keck nach oben zusammengebunden waren, und es blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
»Sieht’s denn danach aus?« fauchte Papst Uri wütend.
»Ich hab ja nur gefragt«, piepste Alea mit kindlich gekränkter Miene und hinreißend gezogenem Schmollmund. Sobald sie diesen alten Knacker erst einmal auf ihrer Seite hatte, wäre alles andere nur noch ein Kinderspiel.
Und schon wurde Papst Uris Herz von einer Lanze tiefsten Bedauerns durchbohrt. »Du … ähm, das tut mir wirklich leid«, stammelte er verlegen. »Ich wollte dich wirklich nicht so anbrüllen, aber ich bin noch immer ziemlich …«
»Ach, das geht schon in Ordnung«, antwortete Alea mit einem hinterhältig tröstlichen Lächeln. »Du bist stinksauer, weil man dir all deine Schafe gestohlen hat, stimmt’s?«
»Sieht man mir das denn wirklich so offensichtlich an?«
»Und du sorgst dich um all die kleinen hilflosen Lebewesen, die aus deiner fürsorglichen Obhut gerissen wurden …«
Papst Uri nickte betrübt.
»Außerdem bereitet es dir Kummer, daß deine getreuen und ebenso fürsorglichen Mönche nicht genug zu essen bekommen und …«
»Ganz genau, mein Kind.« Papst Uri nickte erneut, doch dieses Mal zeigte er mehr Verärgerung als Trauer.
»… du bist besorgt, weil es nicht genug Wolle geben wird, um in den kommenden frostigen Wintermonaten die Socken deiner Brüder stopfen zu können …« Wieder ein noch heftigeres Nicken als zuvor.
»Und« – Aleas Worte klangen rauh – »vor allem bist du furchtbar verärgert, weil man dich während deiner seit Jahren besten spontan gehaltenen Predigt komplett zum Narren gehalten hat …«
»Ja! Und dabei war ich richtig gut in Form«, platzte es Papst Uri mit zitternden Lippen heraus. Er holte tief Luft und spürte, wie missionarischer Eifer in ihm entflammte, der das geschürte Feuer der Erregung auf den glimmenden Kohlen seines unheiligen Zorns zum Glühen brachte. »Verdammt noch mal! Was für eine große Predigt!« schrie er und schlug mit der rechten päpstlichen Faust so heftig auf die linke Handfläche, daß es nur so knallte. »O ja! Die Worte sprudelten wie aus einem Quell überschäumender Lebensfreude nur so aus mir heraus!«
Weitere Kostenlose Bücher