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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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kommen … Und in diesem Buch – du mußt es nur richtig zu gebrauchen wissen – ist eingeschlossen, was das Königreich retten und bewahren kann.« Dann hatte er geschwiegen, hatte gelauscht. Und – »Huiuiui, jetzt aber dalli, dalli!« – war er mit fliegenden Rockschößen aus dem Kinderzimmer gestürmt und im nächsten Augenblick im Korridor verschwunden, knapp gefolgt vom Getrampel von dreißig oder vierzig Paar schwer gestiefelter Füße, die im Sturmschritt hinter ihm dreinpolterten. Das war das letzte, was Whintz von ihm gesehen und gehört hatte. Woher oder von wem sein Großvater das Buch gehabt hatte, das hatte er nie erfahren.
    Doch alles das lag lange zurück. Jetzt, auf dieser kleinen Lichtung im großen Wald, sollte geschehen, was ganz allein ihn anging. Heute war es endlich soweit, heute sollte geschehen, worauf sich Whintz all die Jahre vorbereitet hatte: Heute wollte er seinen ersten wirklichen und wahrhaft magischen Zauber wirken.
    Er blickte sich um – die Luft war rein. Dann schlug er das große ledergebundene Buch auf und schlug in den Gilben Seiten nach. Holte mit einem geschichtsträchtigen Atemzug tief Luft und begann zu lesen. Er las langsam, andächtig und konzentriert, wanderte mit dem Zeigefinger Wort für Wort die Zeilen entlang und suchte aufmerksam die Seite ab. Versuchte angestrengt, jedes Wort lebendig werden zu lassen, drehte und wendete es im Mund hin und her und probierte es mit jedem Atemzug immer wieder aufs neue. Und dann setzte es ein. Schweiß, Zeugnis seiner konzentrierten Bemühungen, trat ihm in schweren Tropfen auf die hohe Stirn. Merkwürdiges geschah. Die Wörter kamen ins Laufen, verschoben sich langsam in alle möglichen Richtungen … Whintz erkannte die einzelnen Buchstaben, gelegentlich auch das eine oder andere Wort, insgesamt aber verstand er nur Bahnhof. Es war, als wolle er eine Zeitung lesen, die jemand auf den Grund eines Schwimmbeckens gepappt hatte.
    Tief enttäuscht brummelte er vor sich hin und klappte das Buch wieder zu. Eines Tages würde er es schaffen – es war alles nur eine Frage der Zeit. Er war durchaus optimistisch. Erschöpft von den gewaltigen geistigen Strapazen, schloß er die Augen, um in aller Ruhe zu überlegen, was er falsch gemacht hatte. Es dauerte nicht lange, da wirkten der warme Sonnenschein, das leise Vogelgezwitscher und das besänftigende Summen der Bienen ihren ganz eigenen Zauber: Still und friedlich glitt Whintz hinüber ins Reich der Träume und schlief schon bald einen geruhsamen, leichten Schlaf.
     
    Firkin und Hogshead stolperten müde und matt durch den Wald. Das wütende, enttäuschte Geschrei von Vlad war lange schon verklungen. Glücklicherweise hatte Firkin recht gehabt, was das Verhältnis von Vampiren und Tageslicht anging.
    »Halt!« sagte Firkin. »Schau doch!«
    »Was?«
    »Da drüben.«
    »Was? Ich seh nix. Nur so einen alten schäbigen Wegweiser.«
    »Genau. Mein ich doch: den Wegweiser.«
    »Ach so.«
    Sie marschierten los. Firkin zog einen Ast zur Seite, wischte den Dreck von Jahrhunderten von der Tafel und las:
     
    GULDENBURG 12 Meilen
     
    Guldenburg. Ein Ortsname, der prächtige Bilder heraufbeschwor: massive Festungsbauten, die von den Ufern der Wallgräben hoch in den Himmel aufragten, Schutzmauern, mit Brustwehren gekrönt, auf denen dicht an dicht Elitetruppen in Garnisonsstärke standen. Wehende Fahnen. Fanfarenbläser, die mit schmetternden Klängen die Ankunft von Freunden vermeldeten, und Kolonnen von Bogenschützen, die – aufs äußerste gespannt – der Ankunft von Feinden entgegensahen.
    Eine eindrucksvolle Vorstellung. Nur …
    Zugegeben: Es gab eine Burg in Guldenburg. Mitten in der Stadt stand einsam und verlassen eine jämmerlich kleine, heruntergekommene Ansammlung windschiefer Buden, errichtet zu einer Zeit, als Burgen ein Muß! waren, als jede Stadt, die etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, sich eine leistete. Sie war die erste in der Gegend gewesen. Damals eine einzigartige Attraktion, ein Magnet, der die Menschen anzog wie Motten das Licht. Immer fix dabei, wenn sich irgendwo ein paar Gulden machen ließen, warf sich die Gilde der Beutelschneider von Guldenburg – beflügelt von ihrem erwiesenermaßen nichtvorhandenen Urteilsvermögen in Sachen Qualität oder Geschmack und ihrem gleichermaßen radikal abwesenden handwerklichen Geschick – auf das Kunsthandwerk. Es gab nichts, was sie nicht verscherbelt hätten: Weidenkörbe, Katzenkörbchen, bunte, absonderlich

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