Firkin 2: Die Frösche des Krieges
Ausflug in die Vergangenheit.
Mit einem metallisch ratternden Geräusch wurde etwas über das Kopfsteinpflaster des Aufmarschplatzes geschoben.
»Du siehst die Vergangenheit durch die rosarote Brille«, befand Oberst Rachitwitz, der sich den blonden Schnauzer und den Spitzbart an diesem Morgen akkurat zurechtgestutzt hatte.
»Brauch keine Brille«, knurrte Batteur und tätschelte seine Armbrust. Was zur Folge hatte, daß sich mit unheilvollem Schwirren ein eben erst eingelegter Bolzen löste. »Immer erst warten, bis du das Weiße in ihren Augen siehst. Dann abdrücken. Kann nie danebengehen.«
Wüstes Schimpfen folgte auf diese Erläuterungen: Brummas wurde krakeelend und schwadronierend in seinem vor kurzem angeforderten neuen Panzerrollstuhl zu ihnen gekarrt.
»Was kann beim Abdrücken nie danebengehen?« raunzte Brummas und fuchtelte wild mit seinem Hörrohr. »Hä?«
In den Reihen der Gardekavalleriebrigade von Oberst Rachitwitz entstand vorübergehend leichte Unruhe: Ein Reiter sackte nach vorn und fiel vom Pferd. Batteurs erstes Opfer.
»Er redet von Armbrüsten«, erklärte Rachitwitz.
»Wer? Hä? Was hat er am Arm?« brabbelte Brummas. Er stierte durch die Gegend und schüttelte grantig sein Hörrohr. »Kann mit dem Ding einfach nix hören! Ausschußware! Bruch!«
»Du mußt es dir ans Ohr halten«, riet Schlurf hilfsbereit.
»Wohin? Wiewadas, hä? Nimm die Zähne auseinander, wenn du mit mir redest. Bin schließlich nicht taub!«
»Steck dir’s ins Ohr rein!« brüllte Batteur.
»Insorein …? Ah! Ins Ohr rein! Klar, wohin sonst! Bin schließlich nicht taub. Da! Habt ihr gehört? Ein Vogel, hä? Is eine Nachtigall. Eindeutig. Fabelhafter Vogel …«
Ein schmetternder Fanfarenstoß übertönte Brummas’ seniles Gefasel, vom Turm herab meldeten sechzehn Bläser die Ankunft des Königs. König Kharthezsh ließ seinen Hengst im Schritt gehen und ritt langsam die Reihen der Armee von Isolon ab, die komplett und einsatzbereit angetreten war. An einem Fenster hoch über dem Platz erschien das winzige Gesicht eines Jungen. Er sah, wie sein Vater vor den versammelten Truppen anhielt.
»… großartiges Gezwitscher.«
Batteur versetzte Brummas fix einen Tritt. Es wurde still auf dem Platz, alle warteten auf den Appell ihres höchsten Kriegsherrn. Der König stellte sich in die Steigbügel, richtete sich auf, erhob die Stimme und sang zwei langgezogene Töne, den zweiten eine Oktave höher als den ersten. Die zum Kampf angetretene Armee antwortete in der gleichen Weise. Der König rief wieder, und wieder antworteten ihm alle, wie Wölfe, die den Vollmond anheulten.
»Hei Hooooooooo!« schrie der König zum dritten Mal.
»Hei Hooooooooo!« antworteten die Männer. Der Kampfruf brachte ihr Blut in Wallung.
Der König wendete sein Pferd, lenkte es dorthin, wo hoch am Horizont die Krapathen aufragten, stimmte das Kampflied an und führte seine Armee, führte dreitausend Mann in die Schlacht: »Hei ho! Hei ho! Wir sind vergnügt und froh. Was gibt es Schönres auf der Welt, wir ziehn ins Feld! Hei ho! Hei ho …«
Als sich in Cranachan die Staubwolke legte, die zwölftausendsechshundertachtundfünfzig Mann, diverse Pferde und eine Unzahl Proviant- und Nachschubwagen aufgewirbelt hatten, blieb Firkin fassungslos und zu Tode erschrocken zurück. Gut eine halbe Stunde hatte das Defilee der geballten, zu unversöhnlichem Kampf entschlossenen Streitmacht der cranachischen Armee gedauert, und mit jeder vorbeimarschierenden Kolonne war Firkins Hoffnung tiefer und immer tiefer in den Abgrund der Verzweiflung gesunken. Die Ansichten der Armee von Isolon, gegen diese Masse im fairen Kampf den Sieg zu erringen, waren etwa so sicher und verläßlich wie die Moral der Guldschätzchen von Guldenburg. Isolon war zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen, war hoffnungslos unterbewaffnet, war von vornherein zum hoffnungslosen Verlierer bestimmt. Der Krieg schien unvermeidlich wie eh und je – in etwa so leicht zu verhindern wie vorzeitiger Haarausfall, in etwa so leicht abzuwenden wie der Tod. Firkin und Hogshead waren fast ans Ziel gekommen, hatten so kurz vor dem Sieg gestanden, hatten beinahe schon die Zukunft vor einer unvorstellbar schrecklichen Tyrannei bewahrt… Aber ›fast‹ und ›beinahe‹ waren eben nicht gut genug. Sie waren Versager, vollkommene, totale Versager. Das Schicksal hielt sich nicht damit auf, ihnen den Fehdehandschuh hinzuwerfen – es lachte lange und herzlos und schlug ihnen das lederne
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