Firkin 2: Die Frösche des Krieges
wurden, wie sich das zwölftausend Mann starke Heer in kleinere Gruppen aufgliederte und sich in langen Reihen über die cranachische Seite des Tals verteilte – wie schwarzgekleidete Zuschauermassen, die in ein Amphitheater drängten und die Ränge besetzten. Alle Augen waren auf den König gerichtet. Der hob die Hand, ballte sie zur Faust, und wie durch ein Wunder verschwand die gesamte Armee spurlos. Frandl kam nie dahinter, wie sie es fertigbrachte, im kümmerlichen Gesträuch der Tundra ausreichend Deckung zu finden. Und trotzdem: Vor seinen Augen machten sich zwölftausendsechshundertachtundfünfzig Mann unsichtbar, inklusive des mitlaufenden Fußvolks.
Zufrieden lächelnd ritt König Erdrosselbart, gefolgt von Frandl, Gympl und Thatarr, hinter einen gewaltigen Findling und wartete dort auf den Anmarsch der Armee von Isolon, die zu einem Spektakel unterwegs war, das zu ihrer Abschiedsvorstellung werden sollte.
Aus sicherer Entfernung, hoch über dem Talboden und hinter einem großen Felsbrocken versteckt, beobachteten zwei Kinder mit ungläubigem Entsetzen, wie sich vor ihren Augen die konzentrierte cranachische Streitmacht in Luft auflöste. Mittlerweile trennte nur wenig mehr als ein Kilometer die langsam vorrückende Armee von Isolon von dieser im verborgenen lauernden schwarzen Gefahr. Und die Cranachier hielten alle Trümpfe in der Hand: Sie kämpften auf heimischem Territorium, sie kannten das Land und wußten genau, wie sie seine Beschaffenheiten zu ihrem Vorteil nutzen konnten, die CIA hatte jeden Zentimeter des Geländes ausgeforscht und vermessen. Sie verfügten über eine etwa fünfzehnmal stärkere Bewaffnung, und jede einzelne Waffe war entweder größer, schärfer und schwerer oder ganz einfach wirksamer als alles, was sich ihr langsam vorrückender Gegner vorstellen konnte. Und sie waren zahlenmäßig überlegen: Auf einen Soldaten aus Isolon kamen vier Cranachier.
Es war hoffnungslos. Die Sache stand von vornherein fest.
Und doch war auch die Armee von Isolon glücklich und zufrieden. Zumindest die Kriegsherren von Isolon waren es. Sie lachten und scherzten, hell strahlte die kriegerische Begeisterung, blitzte wie Orden und Ehrenzeichen auf ihrer soldatischen Brust. Hoch zu Roß und erhobenen Hauptes führte General Batteur seine Bogenschützen in die Schlacht, seine Hakennase zuckte in freudiger Erwartung. Der Edelmann Schlurf, Oberbefehlshaber der Infanterie, bebte und zitterte gespannt und erregt wie ein Schachchampion, der seine Figuren für einen Meisterschaftskampf aufstellt, mit glänzenden Augen blickte er auf die Hundertschaften der Bauern, die seinem Befehl unterstanden.
Viel zu lange hatte er auf eine anständige Schlacht warten müssen. Nach zweiundzwanzigjähriger, eintönig-öder Friedenszeit hatte er beinahe schon vergessen gehabt, welche Wonnen, welch prickelnden Kitzel, welches Vergnügen Krieg und Kampf zu spenden vermochten. »Welch ein Tag!« schrie Batteur. »Ein Ehrentag, der in die Geschichte eingehen wird! Den man preisen wird mit Rhapsodien, Hymen und Oden!«
Brummas schreckte aus dem Schlaf, als sein Rollstuhl über einen Stein ratterte. »Reißen? Strapse? Wem? Wasnlos, hä?«
»Rhapsodien!« brüllte Batteur und zwirbelte und rollte die Zügel um die langen Finger. »Preislieder! Heldengesänge! …«
Brummas achtete nicht auf die lyrischen Exkurse des Generals und schielte in Marschrichtung voraus. »Sind wir schon da? Hä? Wie weit isses noch?« krächzte er. »Hä? Noch sehr weit?«
»… Verse von epischer Dimension!«
»Wer hat epische Dimensionen? Hab’s genau gehört, bin schließlich nicht taub!«
Die Armee marschierte weiter.
Einen knappen Kilometer vor dem Kriegsschauplatz zog König Kharthezsh die Zügel an und beobachtete voller Stolz den Vorbeimarsch seiner Armee. Er hatte Tränen in den Augen, als der letzte Soldat salutierte. Dann machte er kehrt und ritt einen Berg hinauf, von dem er den Kampfplatz überblicken konnte, von dem er zusehen konnte, wie seine Kriegsherren die Männer in die Schlacht führten. Von hier oben hatte er das ganze Gelände im Blick und konnte jede Truppenbewegung verfolgen: die taktische Abwicklung der todsicheren strategischen Manöver, die Schlurf dirigierte, den vernichtenden Pfeilhagel von Batteurs Schützen, den Zusammenbruch der cranachischen Truppenmoral und den anschließenden Triumph der Streitmacht von Isolon. Von hier oben konnte er im Ruhmesglanz hinabreiten und die Krone des Siegers einfordern. Von
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