First Night - Der Vertrag (German Edition)
ihn!
„Und irgendwie hat er Marie rumgekriegt. Sie ist übergelaufen!“, ergänzte Silvio überflüssigerweise.
„Und dann habt ihr sie aus dem Fenster geschmissen!“
„Verdammt noch mal, NEIN!“, brüllte Silvio und Julia zuckte vor Schreck heftig zusammen. Obwohl sie krampfhaft versuchte, sich Silvio gegenüber nichts anmerken zu lassen, lagen ihre Nerven nicht nur blank, sie hingen förmlich an allen Enden lose aus ihr heraus.
„Nachdem Morosow erfahren hat, dass Marie für den BND gearbeitet und ihn ausspioniert hat, hat er sich mit einem hohen Beamten des BND in Verbindung gesetzt.“
„Was heißt das? Das verstehe ich nicht .“
„Morosow hat einen Deal mit Maries Abteilungsleiter ausgehandelt. Der hat Morosow zugesagt, dass er das Kind haben kann. Er hat ihm eine neue Geburtsurkunde und eine neue Identität für das Baby versprochen. Auf der Geburtsurkunde hätte als Mutter der Name von Morosows Ehefrau gestanden. Morosow sollte dem BND dafür ein paar Leute ans Messer liefern, hinter denen man schon seit Jahren her ist. Von Ihrer Schwester war bei den Verhandlungen nie die Rede.“
Julia sagte gar nichts. Sie versuchte , das Atmen nicht zu vergessen und ihre Überlegungen zu sortieren, nicht einfach nur den Tornado von Gedanken durch ihren Kopf toben zu lassen, sondern ihn zu irgendeinem sinnvollen Ideenstrom zu formen.
„Haben Sie verstanden , was das bedeutet?“, fragte Silvio.
„Nein.“ Sie schüttelte heftig den Kopf . Tief in ihrem Unterbewusstsein hatte sie durchaus verstanden, was das bedeutete, sie wollte es nur nicht wahrhaben. „Nein!“
„Morosow war es völlig egal, was aus ihrer Schwester wurde. Er wollte nur das Kind. Er ist verheiratet, wissen Sie, und seine Ehe ist kinderlos.“
„Oh Gott, ich muss gleich kotzen! M orosow hat Marie umgebracht, damit er sich ihr Baby holen kann?“
„Wollen Sie sich setzen?“
Silvio war aufgesprungen, als er bemerkt hatte, dass Julias Gesichtsfarbe von kreidebleich auf hellgrün gewechselt war, aber sie streckte den Arm aus, wie um ihn abzuwehren. Eine Geste, die sagte: Bleib mir bloß vom Leib.
„Aber Benni ist noch hier!“ , flüsterte sie nach einer Weile mit heiserer Stimme. „Was kam dazwischen?“
„Maries Selbstmord. Irgendjemand aus den Reihen des BND muss ihr e twas von dem Deal gesteckt haben. Ihre Schwester hat genau gewusst, was sie tat, als sie aus dem Fenster sprang. Ihr Selbstmord rief sofort die Kripo auf den Plan und das Jugendamt und alle möglichen anderen Behörden wurden involviert und damit war Bennis Geburt aktenkundig, bevor irgendwelche Urkunden für Morosow gefälscht werden konnten. Und Morosow wurde wie gesagt per Haftbefehl gesucht. Raub, Mord, Drogenhandel, Menschenhandel und, und, und … er kam nicht mal in die Nähe des Krankenhauses.“
Julia schüttelte wieder den Kopf. Nicht, weil sie es nicht glauben konnte, sondern weil es einfach zu viel war, um all das fassen zu können. Sie musste es für sich selbst noch einmal zusammenfassen:
„Der ältere Mann, der kurz vor Maries Tod bei ihr war, war also jemand vom BND. Und der hat ihr verraten, dass Morosow ihr das Baby wegnehmen möchte. Und daraufhin hat Marie beschlossen, dass ihr Selbstmord die einzige Möglichkeit ist, um Benni aus Morosows Klauen zu retten.“
Sie merkte nicht, dass ihr die Tränen in hellen Strömen über die Wangen li efen oder dass ihre Stimme nur noch ein Schluchzen war.
„So sieht’s aus. Mit Sicherheit war sie bitter enttäuscht. Verraten von Mor osow, den sie liebte, und von ihrem eigenen Abteilungsleiter, dem sie vertraut hat. Das ist schon hart. Ich kann mir vorstellen, dass ihr das den Rest gegeben hat.“
Marie hatte sich umgebracht, um Benni zu schützen und weil Morosow ihre Liebe verraten hatte? Hatte sie denn wirklich keine andere Lösung ges ehen? Sie war mutterseelenallein gewesen, in der schwierigsten Lage ihres Lebens, verraten von all jenen, denen sie vertraut hatte.
„Der BND hat das Problem Morosow gegenüber kaschiert, indem man ihm gesagt hat, Marie und das Baby seien bei der Geburt gesto rben.“
„Und das hat er geglaubt?“
„Nach ein wenig nachrichtendienstlicher Aktenbereinigung, ja. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Sie angefangen haben, wegen Maries Todesursache zu recherchieren. Seit ungefähr drei Wochen hat er seine Drecksfinger tief in die Eingeweide des BND gesteckt und rumort auf unseren Servern und Datenbanken herum.“
„Ich hab e Morosow auf Bennis Spur
Weitere Kostenlose Bücher