First Night - Der Vertrag (German Edition)
Was er selbstverständlich nicht getan hatte. Er hatte die ganze Nacht in Julias Krankenzimmer verbracht. Dann war sie schließlich verlegt worden und als der Chefgynäkologe um zehn Uhr endlich aufgetaucht war, hatte Thomas bereits einen vierstündigen Arbeitstag hinter sich und alle seine Mitarbeiter und Präsidenten und Aufsichtsratsmitglieder mehrfach in die Verzweiflung gestürzt.
Der Chefarzt der Gynäkologie mit dem vertrauenerweckenden Namen Dr. Schweizer war etwa in Thomas’ Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre älter, und nachdem er an seinem PC die kurze und nichtssagende Krankenakte von Julia gecheckt hatte, fragte er lächelnd:
„Ihr erstes Kind?“
„Ja!“
„Ich hab drei! Und es war jedes Mal das Schönste und gleichzeitig das Schrec klichste für mich.“
Thomas nickte dankbar. Endlich ein Mann, der ihn verstand.
„In welcher Schwangerschaftswoche ist Frau Dietrich?“
Thomas schaute den Mann verdutzt an. „Ich , äh, weiß nicht. Julia ist seit dem 22. Februar schwanger. Wird sie das Kind verlieren?“
„Das ist wohl ein Wunsc hkind?“
„Absolut!“
Der Chefarzt schaute noch mal auf die Patientendatei in seinem PC. Die junge Frau war misshandelt worden, hatte aber keine Verletzungen, die nicht bald schon verschwinden würden. Die paar Blutwerte, die man in der Nacht noch gemacht hatte, waren geradezu bilderbuchmäßig. Er hatte keine Ahnung, warum man sie überhaupt auf die Gynäkologie verlegt hatte. Es hatten weder Blutungen eingesetzt, noch gab es sonstige Hinweise auf eine bevorstehende Fehlgeburt. Kurz und gut, der jungen Dame ging es den Umständen entsprechend sehr gut, was man von dem angehenden Vater wirklich nicht behaupten konnte.
Der Chefarzt schenkte noch einmal kräftig Cognac in Thomas ’ Glas und beobachtete den Mann, wie er sich langsam entspannte. Er kannte den berühmten Thomas Mahler natürlich, aus dem Fernsehen und aus der Zeitung. Das war der Mann, der mit einem einzigen Fingerschnippen Finanzmärkte und Regierungen zum Erbeben bringen konnte und hier saß er wie ein Häuflein Elend, ein ganz normaler, verletzlicher Mann, der vor Müdigkeit kaum die Augen offen halten konnte und der vor Sorge fast umkam.
„Frau Dietrich ist im mer noch sediert und sie bekommt noch ein paar Infusionen. Das heißt, sie wird noch ein paar Stunden schlafen. Im Augenblick sieht alles bestens aus. Sie ist eine kerngesunde junge Frau und es besteht überhaupt kein Anlass, sich um das Kind Sorgen zu machen. Sie gehen jetzt nach Hause und schlafen ein paar Stunden und essen irgendetwas, und ich verspreche Ihnen, wenn Sie heute Nachmittag wiederkommen, machen wir einen Ultraschall und dann können Sie selbst nachsehen, wie es Ihrem Kind geht.“
Thomas nickte eifrig und war dem Mann unsäglich dankbar. Er reichte ihm seine Super-Privat-Visitenkarte und sagte: „Sie rufen mich aber an , falls Julia schon früher aufwacht.“
„Ich schwöre es.“
Thomas leerte das Cognacglas in einem Zug und stand dann auf. Mann, jetzt war er wirklich groggy … und erleichtert. Er wandte sich zum Gehen und der Doktor hielt ihm bereits die Tür des Zimmers auf, da blieb er noch mal stehen.
„Noch eine Frage. “
„Ja?“
„Was ist mit Sex in der Schwangerschaft?“
„Was ist damit?“ , fragte Dr. Schweizer leicht verwirrt.
„Ist das irgendwie, ähm schädlich oder ein Risiko, oder so?“
Dr. Schweizer grinste. „Sie scheinen der einzige Mensch zu sein, der kein Internet nutzt. Heutzutage kommen die Patienten zu mir, haben alles schon gegoogelt und erklären mir , was ich über Sex in der Schwangerschaft wissen muss. Letztlich muss das jedes Paar für sich selbst entscheiden. Sex schadet weder dem Kind noch der Mutter und viele Frauen behaupten, der Sex in der Schwangerschaft sei der beste Sex ihres Lebens. Viele Männer wollen dennoch keinen Sex mit ihren schwangeren Frauen haben.“
„Selbst schuld!“, sagte Thomas und schüttelte dem Arzt noch einmal kräftig die Hand. Im Geiste hatte er bereits einen fetten Spendenscheck für die gynäkologische Abteilung dieses Krankenhauses geschrieben.
Die Schwester war mit ihrer Infusionsflasche endlich fertig und sagte noch ein paar überflüssige Nettigkeiten, und Thomas hatte den Eindruck, dass sie extra so lange herumtrödelte, nur um den berühmten Thomas Mahler so lange wie möglich sehen zu können. Leider passierte ihm das häufig, besonders wenn er ohne Leibwächter unterwegs war. Wenn jetzt Eric hier wäre, hätte der die
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