First Night - Der Vertrag (German Edition)
verbale Ausführungen über sich selbst und seine Großartigkeit drangen nur ab und zu in ihr Bewusstsein.
„Und Sie wissen sicher, dass die Uni s in Berlin einen eher mittelmäßigen Ruf haben, was das juristische Studium angeht. Ich bedaure jeden, der nicht die Gelegenheit hat, in Heidelberg zu studieren. Solche Dinge wie Weltreisen, Auslandsaufenthalte und vernünftige Universitäten, die formen eine Persönlichkeit! Nicht Zeugnis- und Klausurnoten.“
Julia hätte diesem Oberschwätzer ja erklären können, dass sie leider nicht das nötige Kleingeld hatte, um ihre Persönlichkeit durch Weltreisen zu formen, dass aber jeder, bei dem sie sich bisher beworben hatte, zuerst auf ihre Prüfungsergebnisse und Noten geschaut hatte und noch nie einer wissen wollte, welche Länder sie schon gesehen hatte. Sogar Herr Raschberg Senior war von ihren Klausurnoten beeindruckt gewesen.
Nachdem ihre Reaktion auf seine epische Selbstdarstellung eher mager ausfiel, stöberte er wieder durch ihre Bewerbungsma ppe und suchte einen neuen Anknüpfungspunkt, um sich hervorzutun.
„Sie möchten sich später auf Verwaltungsrecht spezialisieren? Als Verwa ltungsrechtler braucht man Beziehungen, das kann ich Ihnen versichern. Schön sein, reicht da nicht. Beziehungen sind überhaupt alles im Leben. Ich zum Beispiel habe …“
„Ich möchte mich auf Strafrecht spezialisieren.“
„Sie sind wohl hinter den bösen Jungs her? Ho, ho, ho!“
Sie hatte schon dümmere Anmachsprüche gehört , lächelte milde und hoffte, dass er bald zum Ende kommen würde. Sie hatte sich nämlich mit Isabel wieder zum Mittagessen verabredet und ihr Magen knurrte bereits lautstark.
„Wir geben morgen Abend einen großen Empfang für unsere Firmenku nden, hier in unserem überdachten Innenhof. Es wird die Crème de la Crème versammelt sein und vielleicht möchten Sie sich bei der Betreuung unserer Gäste etwas dazuverdienen? Studentinnen können doch immer Geld gebrauchen.“
Ihr Gesichtsausdruck musste wohl verraten haben, was sie von seinem merkwürdigen Angebot hielt , denn er brach in lautes Gelächter aus und freute sich königlich über ihr Entsetzen.
„Aber nein, doch nicht was Sie denken, junge Frau. Ach , was seid Ihr Mädchen heutzutage doch verdorben! Wir erwarten von allen unseren Mitarbeitern, dass sie an diesem Empfang mitwirken. Frau Grube überwacht das Catering und Isabel macht die Power-Point-Präsentation. Sie sollen mit Gusti den Infostand betreuen.“
Sein arrogantes Grinsen sagte ihr, dass er das Missverständnis bewusst pr ovoziert hatte und ihre pikierte Reaktion seine Erwartungen voll erfüllt hatte.
„Wir zahlen unseren Mitarbeiterinnen 100 Euro pauschal für diesen Abend und ab zehn Uhr können Sie gerne noch vom Buffet essen oder Sekt trinken oder ein wenig ta nzen, whatever!“
Bei dem Wort tanzen hob er verheißungsvoll die Augenbrauen und lehnte sich lässig zurück. Dann verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und legte den rechten Fuß über das linke Knie, um mit dieser Haltung seine ganze körperliche Ausdehnung zur Geltung zu bringen. Da konnte sich jeder Pfau noch eine Scheibe von abschneiden. Julia verdrehte innerlich die Augen und dachte nur, dass der Mann bestimmt noch nie einem Thomas Mahler gegenübergestanden hatte. Der hatte all dieses männliche Aufplustern gar nicht nötig. Wenn der einen Raum betrat, war er einfach nur präsent und alle anderen um ihn herum verblassten.
„ Gut. Ich werde jemanden suchen, der morgen auf mein Kind aufpasst.“
Der Hinweis auf ihr Kind dämpfte die Begeisterung vieler Männer, nicht so die von Raschberg Junior.
„Nun, dann freue ich mich schon auf heute Abend. In den Sauna-Club kommt man ohne Beziehungen gar nicht rein. Nur handverlesene Kunden. Natürlich alles sehr diskret, das Beste vom Besten.“
Er hätte genauso gut über einen Puff reden können, dachte Julia und stand schnell auf, bevor er noch mehr seltsame Einfälle bekam.
„Ich habe einen festen Freund!“, log sie und hoffte, dass er das als ein Nein akzeptieren würde. Aber bei Raschberg war sie sich nicht sicher, ob ihn das überhaupt abschrecken würde, schließlich hatte er ja auch eine Frau und baggerte trotzdem ganz dreist andere Frauen an. Mistkerl!
***
Natürlich fand sie für Donnerstagabend niemanden, der auf Benni aufpasste. Aber der Kleine war es ja gewohnt, dass sie abends aus dem Haus ging, um bei Vittorio zu bedienen. Also bekümmerte es ihn auch nicht sonderlich, als
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