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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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sind.
    Aber was ist dieses Runde, Blutige da in der Mitte genau? Ich beuge mich runter, um es zu inspizieren. Ich gehe auf die Knie, vorsichtig, um das Blut nicht zu berühren, und plötzlich sehe ich einen riesigen Schatten, der von hinten auf mich zukriecht, über mich hinweggeht, auf das Postgebäude fällt und mich vollkommen einhüllt.
    Ich rühre mich nicht von der Stelle und hebe, immer noch auf den Knien, die Arme schützend über den Kopf, keine Ahnung, wieso. Ich weiß nur, dass ich nicht sterben will, nicht jetzt, da es Tiziana gibt. Gebt mir wenigstens eine Woche, eine einzige Woche, ich schwöre, dass ich mich damit begnüge. Aber nicht jetzt, bitte nicht jetzt …
    »Nicht jetzt!«, rufe ich.
    »Hey, was schreist du denn so«, sagt Giuliano. Ich hebe den Kopf, drehe mich um, und da stehen er und Stefanino und schauen von oben auf mich runter. »Hast du Angst gekriegt?«
    »Nein, Angst nicht, aber ich hab euch nicht kommen hören.«
    »Siehst du, du Blödmann?«, sagt er zu Stefanino. »Er hat auch Schiss bekommen, es funktioniert also.«
    »Ja, aber mir war doch sofort klar, dass es funktioniert, ich hab gleich gesagt, es macht mir Angst.«
    »Du zählst nicht, du hast ja immer Schiss, Mann. Also es funktioniert wirklich, hurra. Und den Spruch, kann man den gut lesen?«
    »Welchen Spruch?«, frage ich und stehe auf.
    »Wie, welchen Spruch, den da, verdammt. Dort, neben dem Blut.«
    Ich geh ein Stück auf die Mauer zu und entdecke einen Schriftzug mit schwarzem Filzstift, klein und verwackelt:
     
    ALTER, HOL DIR DEINE LETZTE RENTE
    UND DANN KRATZ AB
    FRONT FÜR DIE NATIONALE VERJÜNGUNG
    METAL D.
    »Und, gefällt’s dir?«
    »Hm, ich weiß nicht. Ich finde, es klingt weniger nach Nazis als nach Fußballstadion.«
    »Ach was, es passt wie die Faust aufs Auge. Wir sind hier an der Post, und auf der Post holt man sich seine Rente ab …«
    »Ist ja gut, aber man sieht den Schriftzug gar nicht richtig. Wolltet ihr nicht mit Blut schreiben?«
    »Sicher wollten wir mit Blut schreiben, aber es geht eben nicht! Das tropft wie der Teufel, und am Ende kann man überhaupt nichts mehr lesen. Du schreibst ein N, und eine Sekunde später ist es nur noch ein Fleck. Gut, dass ich einen Filzstift im Auto hatte. Und das Blut haben wir dann einfach ausgegossen, zu einer Blutlache. Ich finde, das ist ein super Effekt.«
    »Verstehe. Und dieses kugelige Ding da in der Mitte, was ist das.«
    »Was.«
    »Dieses runde Ding da in der Mitte.«
    »Ach so. Das ist ein Igel.«
    »Was? Ihr habt einen Igel getötet?«
    »Quatsch, der ist überfahren worden. Als wir aus dem Excalibur rauskamen, lag er da, von einem Auto plattgemacht. Der war schon tot, und es wäre doch Verschwendung gewesen, ihn einfach so da liegen zu lassen.«
    Ich sage nichts, sondern inspiziere weiter die Blutlache vor der Mauer und auf dem Gehsteig und dieses runde Ding in der Mitte, das aussieht, als käme das verspritzte Rot von ihm, wie eine extrem eklige, mit Blut gefüllte Plastiktüte. Man bekommt fast Mitleid mit dem Igel oder findet es zumindest traurig, dass er nun für diesen Zweck missbraucht wird, nachdem einer ihn mit seiner aufgemotzten Karre überfahren hat. Wo doch jeder weiß, dass die Igel langsam aussterben, weil wir sie im Minutentakt totfahren. Allerdings stimmt es auch, dass Igel manchmal strohdumm sind. Sie stehen am Bordstein und sehen ein Auto herankommen, und dann passen sie genau den Moment ab, wo es vorbeiflitzt, um die Straße zu überqueren – und dann peng .
    Es ist also ganz normal, dass sie auf dem Gehsteig vor dem Postamt enden, in einer Pfütze aus Ochsenblut, und die Rentner mit dem Tod bedrohen.

WIR HABEN EIN RECHT AUF DEN STOCK
    »Jesus, Maria und Josef«, sagt Repetti jetzt schon zum zehnten Mal.
    Normalerweise sagt er nur Jesus oder nur Maria , aber die Entdeckung heute Morgen ist einfach zu skandalös. Bei diesem entsetzlichen Anblick kommt ihm fast der Magen hoch.
    »Was gibt es bloß für Leute auf dieser Welt.« Divo versucht einen ruhigen, nüchternen Ton anzuschlagen, aber dieses widerliche Zeug an der Mauer des Postamts hat auch ihn aufgewühlt.
    Gestern Abend war es nasskalt, und deshalb hatte die Bürgerwehr beschlossen, die erste richtige Patrouille zu verschieben. Das hatte nichts mit Drückebergerei zu tun, sie wollten nur nicht das Risiko eingehen, eine Woche lang mit Voltaren vollgepumpt das Bett hüten zu müssen. Dafür haben sie dann heute in aller Frühe, quasi als Wiedergutmachung, diesen

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