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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Pedale gestiegen ist, er wollte gar nicht gewinnen. Und das ist tausendmal schlimmer.«
    »Warum ist das schlimmer? Meiner Ansicht nach ist es besser, das heißt doch, dass er körperlich fit ist …«
    »Du kapierst nix. Es ist schlimmer, Fiorenzo, viel schlimmer, denn wenn die Beine nicht mitziehen, brauchst du nur zu trainieren, und es läuft wieder. Wenn aber der Kopf nicht mitmacht, dann Gut Nacht. Und das ist der Punkt, der Junge ist im Kopf nicht richtig. Ich hab zu ihm gesagt Na gut, dieses eine Mal hast du verrücktspielen wollen, aber nächste Woche musst du gewinnen, und zwar haushoch . Und weißt du, was er mir geantwortet hat? Er hat gesagt, auch nächste Woche will er nicht gewinnen, er will überhaupt nicht mehr gewinnen. Da konnte ich dann nicht mehr an mich halten, ich hab geschrien und ein bisschen Radau gemacht, so. Was hätte ich denn tun sollen, Mensch? Meine Schuld ist es nicht.«
    »Du hast die Wohnung zertrümmert.«
    »Ein bisschen, ja.«
    »Weißt du denn wenigstens, wo er jetzt ist?«
    »Wo wer ist.«
    »Dein kleiner Champion.«
    »Klar weiß ich das, er ist bei dir, oder? Ist doch klar.«
    »Nein, meiner Ansicht nach ist das überhaupt nicht klar, ganz und gar nicht, es ist das Gegenteil von klar.«
    »Ach was, es ist sonnenklar.«
    »Nein, es ist absolut nicht klar, es ist völlig absurd, dass er bei mir ist, es ist …«
    »Was denn nun, ist er bei dir oder nicht?«
    »Ja.«
    »Siehst du? Es ist klar, fertig aus.«
    Ich schlucke die Worte runter, die mir auf der Zunge liegen, und eine Weile sagt keiner was. Zu hören sind nur die Geräusche von der Deponie, das eine oder andere unsichtbare Tierchen, das im trockenen Gras und unter den Brombeersträuchern seinen Weg sucht, und mein Vater, der ein wenig Schnur einholt.
    »Womit angelst du denn?«
    »Was?«
    »Ich frage, womit angelst du, was hast du für einen Köder gesetzt?«
    »Keinen.«
    »Wie, keinen, was heißt das, keinen.«
    »Ich hab den Haken und fertig, geht das nicht?«
    »Nein, das geht überhaupt nicht!« Ich schreie fast. »Das geht ganz und gar nicht. Was willst du denn fangen ohne Köder?«
    Und da, zum ersten Mal, seit ich am Kanal angekommen bin, hört mein Vater auf, den Schwimmer anzustarren, und dreht sich mit einem Ruck zu mir um.
    »Was soll das, bitte, was glaubst du denn, was du fängst, wenn du einen Köder setzt?«
    »…«
    »Einen Scheißdreck! Glaubst du etwa, der Köder macht den Unterschied, glaubst du das wirklich? Du bist jetzt achtzehn, Fiorenzo, achtzehn Jahre alt.« Ich bin neunzehn, aber die Klarstellung spare ich mir jetzt. »Und du glaubst immer noch so einen Quatsch? Der Köder ist vielleicht da wichtig, wo es was zu fangen gibt, und da versuchst du dann deine Chance zu nutzen, so gut es eben geht. Aber das Problem ist, dass es hier nichts gibt, verstehst du? Rein gar nichts. Du sitzt dein Leben lang hier und wartest und hoffst, ab und zu gibt’s eine kleine Bewegung oder ein winziges Zeichen, und du machst dich bereit und sagst dir Jetzt ist es so weit, das ist meine Chance . Ist aber Quatsch, weil alles genauso ist wie vorher, und du bleibst der Trottel, der du bist, seit du in diesem verdammten Kaff geboren bist. Hier gibt’s nix zu angeln, Fiorenzo, und nix zu hoffen. Du bist achtzehn, wann willst du das endlich kapieren?«
    Genau das sagt er und sieht mich dabei aus diesen roten, irren Augen an. Dann durchzuckt es ihn, und er dreht den Kopf wieder zu seinem Schwimmer, legt eine Hand auf die Angelrute und bereitet sich auf einen Anbiss vor. Es hat sich aber gar nichts bewegt. Der Schwimmer liegt immer noch gekippt auf dem reglosen Wasser. Auch ich schaue hin und denke an den nackten, dünnen, goldenen Haken dort unten, der im Schlamm des Grunds auf irgendetwas wartet.

EINE DUSSELIGE TAUBE
    Es war dumm von mir, Mirko in die Schule zu schicken. Gestern Nacht hat Tiziana nach mir gesucht und ist zum Laden gekommen, hat aber nur ihn angetroffen. Um diese Uhrzeit kommt niemand einfach so vorbei, ohne triftigen Grund, was wollte sie also? War sie nervös, war sie sauer, hat sie vielleicht eine Nachricht für mich hinterlassen?
    Wer weiß. Der Kleine ist in der Schule, und bis zwei Uhr kann ich ihn nicht danach fragen. Aber ich will nicht warten, ich will es sofort wissen, und zwar alles, deshalb gehe ich an die Quelle. Die Jugendinfo liegt ohnehin auf dem Weg, ich komme also zwangsläufig dran vorbei, wenn ich jetzt vom Kanal zurückfahre. Na ja, nicht gerade zwangsläufig, aber ich fahr jetzt

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