Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
Vom Netzwerk:
zu sehen, was dort los ist.
    Die Tür stand sperrangelweit offen und die Fenster auch, aber das Auto meines Vaters war nicht in der Einfahrt. Ich habe gerufen, aber es war niemand da, nur die alte, stille Wohnung, allerdings zerstört von einer wild gewordenen Bestie: der Küchentisch kaputt geschlagen und ins Wohnzimmerfenster geschmissen, der Fernseher auf dem Teppich in Trümmern, das Sofa demoliert und in den Flur geworfen, vor den Eingang zu dem, was früher mal das Bad war.
    Mein Zimmer allerdings war vollkommen intakt. Alles tipptopp, so wie ich es zurückgelassen hatte, nur mit einer Besonderheit: Der Schrank für die Angelsachen stand offen und war leer.
    Deshalb kam ich auf den absurden Gedanken, dass mein Vater womöglich angeln gegangen war, zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren. Ich habe mich auf den Roller gesetzt und bin die Kanäle abgefahren, um ihn zu suchen. Ich habe alle guten Plätze abgeklappert: die weiten Bögen und die Stellen, wo der Kanal breiter wird und sich zwei Kanäle überschneiden. Nichts.
    Und dann, während ich damit beschäftigt war, den Roller auf dem Schotterweg längs der Mülldeponie im Gleichgewicht zu halten, sah ich plötzlich ganz hinten am Ende der Felder das Auto meines Vaters. Mitten auf einer graubraunen, leeren Fläche ohne Baum und Strauch ist ein gelber Kombi voller Reklame kaum zu übersehen.
    Jetzt sitze ich hier neben ihm auf der Böschung, genauer gesagt ein Stück hinter ihm, an einer trostlosen, zum Angeln völlig ungeeigneten Stelle. Das Wasser ist viel zu seicht und schlickig, und von der Deponie kommt dieser widerliche Gestank nach verschmortem Plastik und anderen ziemlich toten Dingen.
    Mein Vater kriegt das alles gar nicht mit. In sich zusammengesunken sitzt er da, das Kinn in die Hand gestützt. Er hat die Angelrute in einem gegabelten Ast abgelegt und starrt auf den Schwimmer.
    »Wie lange bist du denn schon hier?«
    »Boh. Drei Stunden.«
    »Und hast du was gefangen?«, frage ich stockend, weil der Müllgeruch mir bei jedem Atemzug die Kehle verätzt.
    »Nein, nichts.«
    »Nicht mal ein Anschlag, gar nichts?«
    »Nein. Besser so. Sonst fängt das Geeier an: hochziehen und sich die Hände schmutzig machen.«
    »Wozu bist du denn dann hergekommen?«
    »Einfach so, zum Luftholen. Mir platzt gleich der Schädel, ich hab zu viel getrunken.«
    »Du hast getrunken?«
    »Ja. Ich bin schlafen gegangen, und alles hat sich gedreht, die Decke, die Wände und die Möbel. Gedreht und gedreht, und da ist mir der Kragen geplatzt. Ich bin aufgestanden, weil ich mir vorkam wie in einem Käfig, ich musste einfach raus, um nicht zu ersticken.«
    Jetzt schweigt er wieder. Er greift nach der Angelrute, mit einem minimalen Ruck an der Spitze bewegt er den Schwimmer ein paar Zentimeter weiter, um die Fische neugierig zu machen. Falls ein perverser Karpfen vorhaben sollte, hier vorbeizukommen. Als er dann weiterspricht, klingt seine Stimme ganz anders. Sie kommt jetzt aus tiefer Kehle, aus dem Magen, vielleicht aus dem verschlungenen Gewirr der Eingeweide.
    »Er hat verloren, Fiorenzo. Er hat verloren wie ein dummer Anfänger. Es war erbärmlich.«
    »Wer, was?«, frage ich, denn es käme mir unpassend vor, durchblicken zu lassen, dass ich schon alles weiß. Keine Ahnung, wieso, aber es käme mir einfach unpassend vor.
    »Gestern hab ich ihn in eine andere Region gebracht. Nach Piacenza. Ein leichtes Rennen, eine günstige Strecke, das hätte er mit links machen können. Aber er hat verloren.«
    »Na ja, so was kommt vor, man kann doch nicht immer gewinnen.«
    »Natürlich kann man! Man muss sogar. Man muss immer gewinnen, wenn man die Möglichkeit hat. Und er hatte sie. Das ist nämlich der Punkt … Er hat nicht einfach nur verloren, er wollte nicht gewinnen.«
    Dann beugt er sich plötzlich vor und kneift die Augen zusammen, um den Schwimmer genau zu beobachten, der sich vielleicht bewegt hat, obwohl ich nichts gemerkt habe. Seine Gesten, sein Timing, seine Aufmerksamkeit, alles deutet darauf hin, dass mein Vater ein großartiger Angler ist. Warum er seit fünfzehn Jahren nicht mehr angelt, weiß nur er selbst. Oder vielleicht nicht mal er.
    »Du hättest mal die Zeitungen heute früh sehen sollen … Der Superchampion ist gar nicht so super. Der Rakete von Muglione geht der Sprit aus. Mister Marelli setzt auf die falsche Taktik und geht baden … Das ist normal, diese Leute haben keine Ahnung von Radrennen. Aber wer das Rennen verfolgt hat, weiß, dass Mirko nicht in die

Weitere Kostenlose Bücher