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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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sie schon x-mal gesehen hat. Wer weiß, vielleicht ist es wegen dieser Szene ihr Lieblingsfilm. Ich würde sie das gern fragen, doch, wirklich, es würde mich interessieren. Aber ich muss es mir aus dem Kopf schlagen, denn die Zeiten sind vorbei, wo Tiziana und ich unsere Gedanken ausgetauscht und gelacht und rumgealbert und miteinander geschlafen haben. Damit ist jetzt Schluss, auch wenn das erst noch in meinen Kopf rein muss. Aus, vorbei, Ende. Auf der Liste meiner Bekanntschaften muss ich ihren Namen streichen.
    Aber bitter ist das schon.
    »Was machen die denn jetzt, Signore?«
    »Sie schmusen, siehst du das nicht?«
    »Ja, aber … es sind zwei Frauen.«
    »Genau. Zwei Lesben. Hast du das Wort schon mal gehört?«
    »Ja, in der Schule. Lesben sind Frauen, die miteinander rummachen, wenn sie gerade keinen Mann haben. Richtig?«
    Eigentlich eher nicht, ich halte aber lieber den Mund. Der Kleine verfolgt das Geschehen auf dem Bildschirm so gebannt, dass ich neben ihm genauso gut eine Wand sein könnte. Aber ich möchte diese Szene auch genießen, verdammt, ein wenig Zucker in dieser bitteren Zeit tut mir gut.
    Und außerdem: Wie käme ich dazu, dem zu widersprechen, was er in der Schule lernt.

KAFFEE NEIN, INS BETT GEHEN JA
    Mirko, mein Vater und ich sitzen am Kanal und angeln, eine idyllische Szene, von außen betrachtet. Man darf den Ausschnitt aber nicht allzu weit fassen, sonst kommt die Mülldeponie mit ins Bild oder vielmehr die Mauer um sie herum, die Gift ausschwitzt. Und bitte auch nicht zu nah ranzoomen, sonst sieht man mir an, wie elend ich mich fühle.
    Aber Mirko hat mal wieder nicht lockergelassen. In seiner penetranten Art fordert er nichts, sondern wiederholt nur in einer Tour, wie super es wäre und wie schön, etwas mit mir zu unternehmen, und dass er der glücklichste Mensch auf der Welt wäre, wenn … so dass ich ihn schließlich auf den Roller gepackt habe und mit ihm hierhergefahren bin, um meinem Vater beim Angeln zuzuschauen.
    Die Ärzte haben mich zwar gewarnt, Rollerfahren sei für ihn zu gefährlich wegen der Erschütterungen und des Unfallrisikos und so. Aber die Ärzte sagen viel, ohne selber dran zu glauben, zum Beispiel, dass man nicht rauchen und nichts Frittiertes essen soll. Solche Sachen müssen sie sagen, aber in Wirklichkeit denken sie Mach, was du willst, mein Freund, es ist sowieso ein Lotteriespiel, wen’s erwischt, den erwischt’s nun mal .
    Mein Vater müsste eigentlich fuchsteufelswild werden, wenn er wüsste, dass ich mit seinem kleinen Champion Roller fahre, aber als er uns kommen sah, hob er grüßend die Hand und fragte (nur ihn selbstverständlich), ob er sich fit fühle, ohne groß darüber nachzudenken, wie wir überhaupt hergekommen sind. Die vier leeren Bierdosen und der Weinkarton um fünf Uhr Nachmittag lassen darauf schließen, dass er nicht mehr ganz klar im Kopf ist, und im Moment kommt mir das durchaus entgegen.
    Ich hoffe nur, dass mein Vater nicht völlig in den Suff abgleitet und zum Alkoholiker wird. Er kann trinken, so viel er will, wie alle Männer (und viele Frauen) hier in Muglione: vormittags einen Aperitif, mittags und abends Wein, am Nachmittag zwei Gläschen Prosecco und nach dem Abendessen Grappa und Amaro nach Herzenslust. Hauptsache, er landet nicht irgendwann im Krankenhaus, dann wäre er nämlich als Alkoholiker abgestempelt.
    Hier im Dorf saufen alle wie die Löcher, manche Männer sind ab drei Uhr nachmittags überhaupt nicht mehr ansprechbar. Sie wissen nicht mehr, wo sie sind, und taumeln nur noch auf irgendeine Bank oder einen ausgetrockneten Wassergraben zu, um bis zum Sonnenuntergang alle viere von sich zu strecken. Aber das juckt keinen, es ist vielmehr ganz normal, so läuft es hier in Muglione. Die Probleme fangen erst an, wenn sie dich einliefern, und sei es nur für einen Tag oder auch nur für eine Minute. Wenn sie dich ins Krankenhaus bringen, heißt das, du hast ein Alkoholproblem. Dann betrachten sie dich im Dorf mit anderen Augen, auch die, die zehnmal so viel trinken wie du.
    In unserer Familie gibt es sogar einen Präzedenzfall: Marino, den rothaarigen Cousin meines Vaters, keine Ahnung, welches Ende der genommen hat. Vielleicht liegt der Alkoholismus in unseren Genen. Am Ende etwa auch in meinen?
    Wer weiß. In diesen wahnwitzigen Tagen, wo ich pausenlos an Tiziana denke und an alles, was sie jemals gesagt hat – an ihre Stimme und den Geruch ihrer T-Shirts und die Haarsträhne, die ihr immer ins Gesicht

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