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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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nach Hause zu bringen, weil es hier zu provinziell ist … nun, diese Angst ist vielleicht das einzig Provinzielle. Es war eine geniale Idee, sie hierherzubringen, deine Bemerkung über die Tiere war genial, und auch die Spaghetti waren gar nicht mal so schlecht …
    »Ja, aber das ist nicht immer so«, sagt Raffaella plötzlich in ihrem rudimentären Englisch.
    »Wie meinst du das?«
    Sie stammelt herum, sucht nach Worten. »Also, der … der Pfau okay, der Hahn okay, aber bei den Libellen ist es anders. Die Libelle ist sehr viel schöner als der Schmetterling.«
    »Der Schmetterling?«
    »Ja. Sie ist doch viel schöner, oder nicht?« Raffaella verstummt. Alle Augen sind auf sie gerichtet, vor allem dein stechender Blick kann einem richtig Angst machen. Sie könnte jetzt aufhören und sagen, dass sie Quatsch erzählt hat, dass sie als Kind mal auf den Kopf gefallen ist und sich nie mehr ganz davon erholt hat. Aber nein, sie redet unbeirrt weiter.
    »Ja, na gut, ich weiß, ihr findet, der Schmetterling ist auch sehr schön, und da habt ihr ja recht. Stimmt schon, der Schmetterling hat diese … Tiziana, hilf mir doch, wie sagt man … diese beiden Dinger, die der Schmetterling da … wie heißt das auf Englisch … ja genau, wings , danke. Die Flügel sind natürlich prachtvoll, okay. Aber die Libelle mit ihren beiden durchsichtigen Flügelpaaren und ihrem schlanken, schillernden Körper … die Libelle ist sehr viel eleganter.«
    »Okay, aber was willst du damit sagen?«
    »Na ja, dass in diesem Fall das Weibchen sehr viel schöner ist als das Männchen, die Libelle ist schöner als der Schmetterling. Oder nicht?«
    Niemand antwortet. Tiefes Schweigen. Aus Verzweiflung fragst du, ob noch jemand Spaghetti will, aber auch du bekommst keine Antwort.
    Dann beugt sich Pascal über den Tisch. »Also, Raffaella, du sagst, dass die Libelle schöner ist als der Schmetterling, aber … ich meine … willst du damit sagen, dass die Libelle ein weiblicher Schmetterling ist?«
    »Ja! Genau. Und sie ist hundertmal schöner als der Schmetterling.«
    Du erstarrst. Du drückst die Gabelspitze auf dein Handgelenk, um dich auf andere Gedanken zu bringen. Du schaust aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. Wenn jetzt ein Meteorit vom Himmel fallen und Muglione unter sich begraben würde, wäre dein Problem gelöst, denn dann wäre alles aus, kurz und schmerzlos. Aber davon kannst du nur träumen, nichts kann dich von diesem jämmerlichen Abendessen an diesem jämmerlichen Ort retten, wo diese dumme Pute Raffaella glaubt, die Libelle sei das Weibchen des Schmetterlings. DER Schmetterling, DIE Libelle, logisch. Auf die Idee käme nicht mal ein Grundschüler.
    Du stichst dir noch fester mit der Gabel ins Handgelenk. Du willst Blut sehen.
    Unterdessen stammelt Raffaella weiter Unsinn. »Stimmt, der Schmetterling ist schön, aber die Libelle …«
    Die anderen schauen sie an, tauschen Blicke und sind drauf und dran loszuprusten. Und was das Schlimmste ist: Sie beziehen dich nicht mit ein, sie würdigen dich keines Blickes, sondern versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Denn in ihren Augen gehört Raffaella zu dir, zu der Welt, in der du heute lebst. Du stehst nicht auf der Seite derer, die sich über sie lustig machen, für sie bist du genauso wie Raffaella und glaubst wie sie, dass sich Schmetterlinge mit Libellen paaren.
    »Jetzt reicht’s aber, was erzählst du denn da für einen Quatsch!« Du springst auf und fuchtelst mit der Gabel vor ihrem Gesicht herum. »Der Schmetterling paart sich nicht mit der Libelle, das sind zwei verschiedene Spezies! Der Schmetterling paart sich mit dem Schmetterling, Mann. Das weiß doch jedes Kind!«
    Dann zischst du ab in dein Zimmer und schließt die Tür hinter dir, für immer.
    Du hörst und siehst zwar nicht, was sich nebenan im Wohnzimmer abspielt, aber du kannst dir Raffaella vorstellen, wie ihr Blick ins Leere geht, verstört über diese Entdeckung nach dreißig Jahren ihres Lebens. Und tatsächlich hörst du nach einer Weile ihre Stimme. Sie gibt sich immer noch nicht geschlagen, kratzt ein paar englische Sprachbrocken zusammen und fragt leise: »Entschuldigung, okay, die Libelle … ja, ich hatte nicht … aber jetzt frage ich euch, mit wem paart sich denn dann die Libelle?«
    Cheryl, die wie immer äußerst zuvorkommend ist, antwortet ihr. »Die Libelle paart sich mit einer anderen Libelle«, sagt sie. »Die Libellen bleiben unter sich.«
    Und dämlich wie sie ist, glaubt

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