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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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unterstreichen, und dann geht es schnurstracks auf der Zielgeraden zum Abitur. Gut gut …
    »ER-TUT-OBERSCHLAU-WEIL-ER-RENNEN-GEFAHREN-IST-ABER-ER-WAR-NUR-WASSERTRÄGER-WÄRE-ER-CHAMPION-GEWORDEN-HÄTTE-ER-MIR-DANN-INS-GESICHT-GESPUCKT-ODER-WAS?« Ich versuche, nicht hochzusehen. Wenn ich nicht auf ihn eingehe, hört Mazinga vielleicht auf und verzieht sich. Ich darf mich nicht ablenken lassen. Ich muss mich auf das Geschichtsbuch konzentrieren und die Lektion wiederholen …
    Also, am schlechtesten stand Deutschland da. Es gab eine furchtbare Krise, und das Geld war nichts mehr wert. Die Leute gingen mit einer Schubkarre voller Scheine zum Brotkaufen, und die Briefmarke für eine Ansichtskarte kostete einen Betrag mit unzähligen Nullen, was aber vielleicht nicht weiter schlimm war, weil die Leute in dieser Situation ohnehin kaum Gelegenheit hatten, sich Ansichtskarten zu schreiben. Überall im Land war das Gefühl vorherrschend, draufgezahlt zu haben, reingelegt worden zu sein, und dieser Eindruck verstärkte sich mit jedem Tag, und die Leute wurden immer wütender und …
    Pling .
    Die Tür geht auf. Ich blicke hoch, drei riesige, übereinandergestapelte Kartons kommen in den Laden. Darunter zwei Beine, die in Strandlatschen stecken, das muss Signor Sirio sein. Signor Sirio arbeitet bei der Gemeinde, ist aber auch Schriftführer des örtlichen Radsportvereins, der Unione Ciclistica Muglionese, und er trägt selbst im Winter Strandlatschen. Er sagt, seine großen Zehen sind zu dick für Schuhe. Er hat auch schon einen Behindertenausweis beantragt, aber den haben sie ihm bisher noch nicht gegeben.
    »Hey, Roberto, hilf mir mal, ich kann nicht mehr«, sagt er hinter den Kartons.
    Ich gehe auf ihn zu, und mein Blick fällt auf seine großen Zehen in den Latschen. Die sind echt dick.
    »Ich bin Fiorenzo, Papa ist zum Bahnhof gefahren, gib her, ich mach das.«
    »Ah Fiorenzo, ciao. Lass nur, nicht dass du dir wehtust, ich mach das schon, sag mir nur, wohin …«
    Er schwankt und müht sich sichtlich ab. Er weiß es nicht, aber ich komme auch mit einer Hand bestens klar. Ich nehme ihm den ersten Karton ab und stelle ihn in die Ecke unter der Vitrine, er stellt die anderen drauf und schiebt sie mit dem Bauch vor, dann streckt er sich schweißgebadet.
    »Ojeojeoje, Lasten sind Gift für mich, ich hab einen Leistenbruch, wenn du den sehen würdest, der ist wie ein dritter Hoden.« Er grätscht die Beine, schiebt eine Hand in seine Unterhose und fängt an, darin herumzufummeln, dabei verdreht er die Augen mit Blick zur Decke und streckt die Zungenspitze raus. »So, ich bin auch gleich wieder weg. Bei der Gemeinde machen sie jetzt unangemeldet Kontrollen, und wenn ich nicht da bin, krieg ich Ärger.«
    Er verabschiedet sich von mir und Mazinga, und ich öffne den ersten Karton.
    Er enthält kilometerlange Bänder, rote, weiße und grüne.
    »Was ist das denn für ’n Zeug?«
    »DIE-DEKORATION-FÜR-HEUTE-VERMUTLICH.«
    »Für heute? Wieso, was ist denn heute?«
    »NA-DER-KLEINE-CHAMPION-HAT-DOCH-GEBURTSTAG-LIEST-DU-KEINE-ZEITUNG?«
    Nein, Zeitung lese ich keine. Da steht nur Quatsch drin über Dorffeste und Streitigkeiten zwischen den trostlosen Käffern dieser beschissenen Ebene, wozu sollte ich da die Zeitung lesen?
    Papa kauft sie wegen der Artikel über den Jugendradsport. Ich nehme sie vom Ladentisch und sehe, dass der Geburtstag dieses Bürschchens heute Abend um fünf auf der Piazza gefeiert wird. Die Dorfkapelle spielt, die Straße wird abgesperrt, und es kommt eine offizielle Delegation aus dem Molise.
    Deshalb musste Papa also so schnell weg. Deshalb konnte ich nicht zum Angeln gehen, sondern sitze hier mit Mazinga fest. Mein Vater möchte, dass die Geburtstagsfeier für seinen kleinen Champion ein rauschendes Fest wird. Ob ich dabei draufzahle, ist ihm scheißegal.
    Ich beiße die Zähne zusammen, ganz fest, bis es knirscht.
    »EINE-RIESENTORTE-IN-FAHRRADFORM-GIBT-ES-AUCH.«
    Ja, hab ich gelesen. Es gibt auch eine Musikkapelle, die bis spät in die Nacht spielt.
    Wir waren mal bei der Gemeindeverwaltung und haben gefragt, ob wir nicht spielen könnten, und da hat der Verantwortliche für Jugendprojekte (der selbst steinalt ist) zu uns gesagt: Warum nicht, prima Idee, Jungs, geht mal durch diese Tür durch, da könnt ihr dann genau erklären, was ihr vorhabt . Er hat uns die Tür gezeigt, und wir sind schön brav und voller Elan da reingegangen, nur dass es ein Nebenausgang war und wir uns plötzlich auf der

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