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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Raffaella jetzt bestimmt, Libellen seien lesbisch.

ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG, KLEINER CHAMPION
    Also, die Probe gestern Abend war nicht nur gut, sondern megagut. Wir waren perfekt aufeinander abgestimmt und saustark, eine Kriegsmaschine, die ihr Ding durchzieht und alles niederwalzt, was ihr in die Quere kommt.
    Mag sein, dass wir wegen des Festivals aufgekratzt sind, weil wir endlich auf einer richtigen Bühne spielen können, vor einem richtigen Publikum, aber wir haben auch einen höheren Gang eingelegt, und nun geht’s richtig ab.
    Jetzt, am Morgen, dröhnen mir immer noch die Ohren von der Lautstärke und dieser kompakten Klangmauer. Zum Glück braucht man die Ohren beim Angeln kaum. Ich brauche die Augen, das eine, um den Schwimmer im Blick zu behalten, das andere für das Geschichtsbuch. Ich hab es mitgenommen. Wenn ich in die Schule gegangen wäre, hätte mich die Lehrerin drangenommen und fertiggemacht, aber ich hab mir gesagt, heute lernst du, und ich schwöre, das tu ich auch. Dann fragt sie mich in den nächsten Tagen ab, und ich krieg eine gute Note, und so starte ich in den Endspurt zum Abitur. Ja ja, ist alles perfekt, ausnahmslos alles. Abgesehen davon, dass ich keine Köder habe. Jetzt brauche ich nur noch kurz im Laden vorbeizuschauen, dann hab ich alles.
    Ich lehne den Roller an einen der beiden Müllcontainer und betrete den Laden, die Tür macht Pling . Ich grüße Mazinga, der sich zwischen den Regalen rumdrückt und eigentlich Donato heißt und Stammkunde ist. Aber kaum hat mein Vater mich gesehen, springt er auf, schwingt sich um den Ladentisch herum und steuert auf die Tür zu.
    »Oh, prima, ich hau ab, Wiedersehn.«
    »Wo willst du denn hin, ich hol nur ein paar Maden und geh wieder.«
    »Nein, nein, bleib hier, heute gibt’s viel zu tun. Gleich werden Sachen angeliefert, die sind wichtig, am besten stellst du die hierhin.«
    »Aber Papa, ich hab was zu erledigen.«
    »Ich doch auch, ich muss Leute vom Bahnhof abholen. Ich wollte schon den Mazinga allein hier im Laden lassen, aber ich hab immer Angst, dass er klaut.«
    »WAS?« Signor Donato spricht mit einem Apparat, den er sich an die Kehle hält und der ihm eine Roboterstimme verleiht. Deshalb heißt er auch Mazinga, wie der Superroboter aus den Comics. »DAS-MEINST-DU-HOFFENTLICH-NICHT-ERNST-ROBERTO.«
    »Natürlich nicht, war nur ’n Witz … Aber behalt ihn trotzdem im Blick, Fiorenzo.«
    »NICHT-NÖTIG-ICH-GEHE-UND-KOMME-NIE-WIEDER-IHR-HABT-EINEN-KUNDEN-VERLOREN.«
    Mein Vater nickt, macht eine wegwerfende Handbewegung und verschwindet. Die Tür fällt langsam ins Schloss. Mazinga starrt auf die Tür, dann dreht er sich abrupt um. »DEIN-VATER-IST-EIN-STÜCK-SCHEISSE.«
    Bravo Mazinga, du bist also auch schon draufgekommen. Ich nicke ihm zu und schaue ihn nur eine Sekunde lang an, aber die reicht aus, um mich zu verwirren. Mazingas Anblick zieht mir jedes Mal die Schuhe aus. Er ist fast achtzig, läuft aber rum wie ein Halbstarker. Aber dafür kann er nichts.
    Sein Enkel war mit mir in der Mittelschule, er heißt Silverio, lässt sich aber Silver nennen und geht auf eine Mode- und Schauspielschule in Florenz, weil er Model, Stylist oder Sänger werden will. Er trägt immer die angesagtesten Klamotten, aber kaum gibt es einen neuen Trend, zieht er sie ums Verrecken nicht mehr an. Sind aber praktisch neue Sachen, und ehe er sie wegschmeißt, kriegt sie eben Mazinga. Der ist so schmal gebaut, dass sie ihm wie angegossen passen, und weil er alt ist, ist es ihm völlig egal, wie er damit aussieht. Heute trägt er silberfarbene Schuhe, eine enge Satinhose und ein tiefblaues Hemd mit dem Schriftzug PLAYBOY. Er sieht aus wie einer, der sich auf dem Weg zur Disco verlaufen hat und nun seit siebzig Jahren in der Landschaft umherirrt.
    Aber Mazinga und sein Outfit dürfen mich jetzt nicht ablenken. Ich lerne und will im Moment gar nichts hören.
    Ich gehe hinter den Ladentisch und lege die Anglerweste, die Ruten und den Gerätekoffer ab, alles außer dem Geschichtsbuch. Ich wollte angeln gehen und kann nicht, hab mir aber auch vorgenommen zu lernen, also lerne ich jetzt. Dafür ist der Ladentisch ohnehin praktischer als der Kanal.
    Kapitel 14, Europa vor dem Zweiten Weltkrieg , gut gut …
    Schwarzweißfotos zeigen arme Leute in dicken, steifen Mänteln und staubige, fast leere Straßen. Erinnert ein bisschen an Muglione, abgesehen von den Mänteln, aber daran darf ich jetzt nicht denken. Ich muss lesen und die wichtigen Stellen

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