Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
ganz anderes.
Apropos Mitteilungen: Vorgestern hat Luca sich mal wieder mit einer SMS gemeldet.
Während deines letzten Monats in Berlin hat er dich mit SMS-Nachrichten geradezu bombardiert, nach einem Jahr Funkstille. Er schrieb, dass er an dich denkt, dass du ihm fehlst, dass er soeben mit seiner Freundin von einem Wochenende auf Elba zurückgekehrt ist, wo er sich fürchterlich gelangweilt hat, und dass es mit dir ganz anders gewesen wäre.
Luca ist drei Jahre älter als du. Du hast ihn an der Uni kennengelernt, und gleich am ersten Tag hat er dir von seinen Plänen erzählt, die er inzwischen umgesetzt hat. Er hat die Doktorandenstelle bekommen, die er wollte, ist Assistent des Professors, bei dem er seinen Abschluss gemacht hat, und wirkt so selbstsicher, als hätte er immer alles im Griff und wäre auf niemanden angewiesen.
Im Grunde weißt du bis heute nicht, ob du tatsächlich ihn haben wolltest oder ob du nur so sein wolltest wie er. Gehabt hast du ihn jedenfalls, und zwar immer dann, wenn seine Freundin zu ihren Eltern nach Mailand fuhr. Jedes Mal sagte er dann, es sei aus mit ihr und er würde mit ihr reden, sobald sie zurück sei, und du hast jedes Mal so getan, als würdest du ihm das abnehmen.
Dann bist du nach Deutschland gefahren und hast dir geschworen, ihn aus deinem Leben zu streichen. Die räumliche Distanz hat dir geholfen, ihn klarer zu sehen, in all seiner Schäbigkeit: ein Mensch, der nicht viel wert ist, der nur an sich selber denkt und tausend Ausreden findet, um sein Ding durchzuziehen.
Wie dämlich du doch warst, auf ihn hereinzufallen. Glücklicherweise ist inzwischen viel Zeit vergangen, und du hast neue Erfahrungen gemacht, die dich verändert haben.
In den letzten Wochen in Berlin allerdings haben drei, vier Kurzmitteilungen zu nächtlicher Stunde ausgereicht, dass Luca wieder in deinem Kopf herumspukte. Er schrieb, dass er das Gefühl hat, du wärst so weit weg und er würde dich nie mehr wiedersehen, wo ihr doch füreinander geschaffen seid, das wisse er genauso gut wie du. Das schrieb er.
Bei der Entscheidung zurückzukommen spielte also vielleicht auch Luca eine kleine Rolle. Und es ist kein Zufall, dass du ihm auf der Rückfahrt im Zug eine SMS geschickt hast. Er antwortete, er könne es kaum erwarten, dich wiederzusehen, du schriebst zurück, du seist am nächsten Tag wieder zu Hause. Darauf schickte er dir um zwei Uhr nachts jene SMS, die du dreimal lesen musstest, um sicherzugehen, dass es wirklich so da stand:
Signorina, die Nervensäge ist dick wie ein Ochse, in zwei Wochen kommt sie nieder, sie ist unerträglich. Ich bräuchte eine unserer Nächte, um mich zu entspannen. Wann machen wir’s? (02:12)
Du hast die Nachricht sofort gelöscht, aber es hat nichts geholfen. Denn du schaffst es einfach nicht, ihn dir aus dem Kopf zu schlagen.
Du musst es dir ausreden, dass Luca irgendetwas mit deiner Entscheidung zu tun hatte, nach Muglione zurückzukehren. Nein, du bist zurückgekehrt, weil du überzeugt warst, du könntest deinem Dorf helfen. Deshalb bist du jetzt hier. Einzig und allein deshalb.
Als Leiterin und einzige Angestellte der Jugendinfo von Muglione, wo die paar Jugendlichen von hier sich noch nie haben blicken lassen.
Aber zum Glück – ein Glück, das mit dem Tod des Besitzers der Bar gegenüber zu tun hat – kommen jetzt die Alten hierher.
Die Bar Eugenio mit Tabakladen und Lottoannahmestelle hat von einem Tag auf den anderen dichtgemacht, nachdem Eugenio bei der Wildschweinjagd durch einen Gewehrschuss getötet worden war, hier übrigens die häufigste Todesursache bei Männern. Danach sind die Alten, die nun nicht wussten, wohin, zur Jugendinfo herübergekommen. Der Raum ist beheizt, jeden Morgen kommen die Zeitungen mit den Lokalnachrichten, und die Tische, auf denen eigentlich Firmenbroschüren und Ausschreibungen für Stipendien zur Begutachtung ausliegen, eignen sich genauso gut zum Kartenspielen.
Wenn dich die Alten trotzdem hin und wieder um eine Auskunft bitten, dann nie um etwas, was mit den Belangen Jugendlicher zu tun hat. Sie wollen die Telefonnummer von Fachärzten oder die Adresse für einen kostenlosen Hörtest, lauter Dinge, von denen du keine Ahnung hattest. Aber du hast dich dahintergeklemmt und dich kundig gemacht. Dein Vertrag läuft sechs Monate, wer weiß, was danach kommt, und wenn jemand von der Gemeinde vorbeischaut und sieht, dass dein Büro immer leer ist, stehst du auch nicht gut da. Also musst du wenigstens
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