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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Hunger? Hast du gefrühstückt?«
    »Nein.«
    »Hast du gestern Abend was gegessen?«
    »Nein«, sage ich, aber das stimmt nicht. Nach der Probe bin ich noch eine Weile bei Stefanino geblieben, und wir haben zwei Tiefkühlpizzen verputzt.
    »Fiorenzo, wenn du einen Kaffee trinken willst, geh ruhig, ich bin ja hier.«
    »Nein, nein, du bist später dran.« Ich dreh ihm weiterhin den Rücken zu und setze die Fotos an der Pinnwand um. »Hör mal, Papa, heute Nachmittag komm ich nicht, sag mir jetzt also nicht, dass du heute Nachmittag nicht da bist. Ich fahr nämlich nach Pontedera, wir spielen heute Abend und …«
    »Ja, ja, keine Sorge. Wir machen nur zwei Stunden Training, um die Muskeln zu lockern, um vier bin ich da.«
    »Der Laden öffnet eigentlich schon um halb vier.«
    »Dann bin ich um halb vier da, in Ordnung? Aber geh du jetzt ruhig frühstücken, iss was. Geld hast du? Oder willst du sonst irgendwohin? Geh ruhig, ich mach das hier schon.«
    Ich höre auf, die Fotos zu misshandeln, und drehe mich unvermittelt um. Mein Vater zieht die Mundwinkel hoch, als würde er lächeln. Er hat die Hände in den Hosentaschen und trägt die Windjacke der Mannschaft und die Kappe mit der Aufschrift UC MUGLIONESE-MOBILIFICIO BERARDI. Samstags ist er immer so: In Gedanken ist er schon beim Rennen. Doch heute ist noch was anderes im Busch, das seh ich ihm an.
    Vielleicht täusche ich mich aber auch, und es steckt gar nichts dahinter. Vielleicht ist mein Vater heute Morgen einfach nur aufgewacht und plötzlich zu einem anständigen Menschen geworden. Aber solchen Unsinn gibt’s nur im Märchen.
    »Fiorenzo, ich hab mir überlegt … Du machst doch bald Abitur, nicht wahr?«, sagt er dann. Ich schwör’s, wortwörtlich, er erkundigt sich nach der Schule.
    Ich antworte nicht. Er rückt die Ruten in der Auslage zurecht, damit man von draußen die Marke erkennt, und fährt fort: »Ist ja schon eine Herausforderung. Wann ist es denn so weit?«
    »Anderthalb Monate, fast zwei.«
    »Bist du aufgeregt?«
    »Geht so.«
    »Gut, ein bisschen Aufregung ist völlig in Ordnung. Nicht zu viel, sonst kriegst du Panik, und nicht zu wenig, sonst fehlt dir der nötige Biss. Das richtige Maß ist gut. Prima.«
    »Papa, hör mal, ich komm heute Nachmittag nicht in den Laden. Du brauchst mich gar nicht erst darum zu bitten. Ich fahre nach Pontedera. Heute Abend ist der wichtigste Moment meines Lebens. Und wenn du heute Nachmittag nicht da bist, ist mir das egal, dann bleibt der Laden eben zu.«
    »Aber ich …«
    »Ich weiß, es ist Samstag, aber dann bleibt er trotzdem zu, ich bin jedenfalls nicht da.«
    »Aber ich hab doch gesagt, ich bin da! Warum meinst du denn dauernd, dass ich nicht da bin?«
    »Ich meine gar nichts. Hauptsache, du bist da.«
    »Na also, bin ich ja auch.«
    »Gut.«
    »Gut.«
    Dann Schweigen. Er spaziert im Laden umher, die Hände auf dem Rücken verschränkt wie ein Kunde, der nicht weiß, was er will. Ich fange wieder an, die Fotos mit den Rekordfängen umzugruppieren. Eines zeigt ein Kind neben einem riesigen Stör. Ein beliebter Anglertrick, den Fang neben etwas Kleinem abzulichten, damit er größer wirkt: Kinder, Chihuahuas, Gartenzwerge.
    Vielleicht ist Papa tatsächlich hier, weil ihn sein schlechtes Gewissen plagt. Er konnte nicht schlafen und hat erkannt, wie widerwärtig er gestern Abend zu mir war, wäre ja auch nicht weiter verwunderlich.
    »Weißt du, was ich mir gedacht habe, Fiorenzo? Wenn du hier im Laden bist, kannst du ja deine Bücher mitnehmen und lernen, wenn nichts los ist.«
    »Die Bücher hab ich immer dabei. Gestern Abend bin ich allerdings etwas überstürzt weggegangen, du weißt ja, was war.«
    Mein Vater nickt, schaut woandershin, fängt wieder an, unsinnig zwischen den Regalen hin und her zu wandern.
    »Ich lerne sowieso viel«, sage ich, »und in der Schule bin ich richtig gut.« Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Er hat mich ja gar nicht danach gefragt, und abgesehen davon stimmt es nicht.
    »Gut, bravo. Wie viele Fünfen?«
    »Keine einzige.«
    »Gut. Und in welchen Fächern bist du am besten?«
    »Das Übliche. Englisch, Geschichte, Italienisch.«
    »Ja, genau, in Italienisch warst du doch immer gut. Meiner Meinung nach könntest du auch Nachhilfe geben. Hast du schon mal daran gedacht?«
    »Nein. Das heißt, na ja, vielleicht später mal, wenn ich auf die Uni gehe.«
    Nach dem Gymnasium will ich nämlich Sprachen studieren. Englisch ist einfach zu wichtig. Es gibt Sänger, die

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