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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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eine gute Stimme haben, aber über ihr Englisch lachen sogar die Hühner. Damit können sie höchstens bei Hochzeiten den Titanic -Song singen. Ich aber hab vor, mich weiterzuentwickeln. Ich möchte Interviews auf Englisch geben, und die Leute, die zuhören, sollen sich fragen, ob ich auch wirklich kein Amerikaner bin.
    Als ich das erste Mal sagte, dass ich Sprachen studieren möchte, saßen wir beim Essen, und meine Mutter meinte Schön, dann nimmst du mich mit auf Reisen und übersetzt für mich . Mein Vater dagegen hat gesagt Wozu hab ich dann eigentlich den Laden?
    Er hält die Idee mit der Uni für völlig übertrieben. Wo will ich denn schon groß hin? Als halber Krüppel, einziges Kind eines Vaters mit einem Angelgeschäft, da ist doch eh klar, wohin die Reise geht.
    So denkt mein Vater. Oder so dachte er. Denn an diesem absurden Vormittag sagt er plötzlich: »Klar, sicher, an der Universität musst du Nachhilfe geben, bei dem, was das alles kostet. Aber meiner Meinung nach könntest du’s auch jetzt schon.«
    »Mag sein, aber ich hab keine Zeit dafür. Und wem denn überhaupt.«
    »Weiß nicht, den Jüngeren vielleicht. Den Grund- oder Mittelschülern.«
    »Na ja, klar, dazu gehört ja nicht viel.«
    »Apropos … einen Jungen, der Nachhilfe braucht, hätte ich sogar schon. Gerade in Italienisch.« Er sagt das mit verzerrter Stimme, weil er sich bückt, um ein paar gefütterte Gummistiefel hochzunehmen. Er kommt nicht ran und muss sich fast auf den Boden legen, um sie zu fassen zu kriegen, dann taucht er mit hochrotem Kopf wieder auf. »Diese Dinger hier können wir doch ins Lager stellen, oder? Im Sommer wird wohl kaum jemand danach frag …« Er unterbricht sich mitten im Satz.
    Er unterbricht sich, weil er sich zu mir umgedreht hat. Ich weiß zwar nicht, was ich für ein Gesicht mache, aber es muss ein Anblick sein, bei dem man mit einem Paar gefütterter Stiefel in der Hand regungslos stehen bleibt.
    »Papa, geh jetzt.«
    »Was? Was soll ich …«
    »Geh jetzt, auf der Stelle.«
    »Was ist denn los? Wegen der Stiefel? Möchtest du sie hier stehen haben? Kein Problem, ist …«
    »Mit diesen Scheißstiefeln kannst du machen, was du willst, aber geh jetzt, und lass dich nicht wieder hier blicken, kapiert?«
    »…«
    »Papa, ich weiß nicht, wie du es wagen kannst, so was von mir zu verlangen. Oder auch nur daran zu denken .«
    »Mal abgesehen davon, dass ich gar nichts von dir verlangt habe …«
    »Dieser Mistkerl wirft mich aus meinem Zimmer raus, und jetzt soll ich ihm auch noch in der Schule helfen? Du kommst hierher und tust scheißfreundlich, damit ich Trottel ihm helfe, weil ich ganz gerührt bin, dass du mich einmal im Leben fragst, wie’s mir in der Schule geht, und …« Ich platze mit allem raus, hoffe aber die ganze Zeit, dass mein Vater mich unterbricht und sagt, dass das doch gar nicht stimmt, dass ich im falschen Film bin, dass das alles ein Missverständnis ist und der Junge, der Nachhilfe braucht, gar nicht der kleine Champion ist. Irgendwas. Egal was, nur nicht das, was er jetzt tatsächlich sagt.
    »Fiorenzo, es wär doch nur für ein paar Stunden pro Woche. Und, logisch, natürlich nicht für umsonst.«
    Er nimmt die Kappe ab, und seine Haare stehen kerzengerade nach oben. Eigentlich zum Lachen, wenn mir nach Lachen zumute wäre. Er hält die Kappe mit beiden Händen vor den Bauch und sieht mich mit gequältem Blick von unten her an. Er erinnert an einen mittelalterlichen Müller, der seine Arbeit unterbricht, weil sein Lehnsherr vorbeikommt, an den er die flehentliche Bitte richtet, nicht ausgepeitscht zu werden.
    Ich sehe ihn an und hätte jetzt gar zu gern eine Peitsche zur Hand. Oder wenigstens ein paar bitterböse Worte parat. In mir steigt nämlich eine Riesenwut hoch, die immer mehr anschwillt, dann aber kraftlos in sich zusammenfällt. Mein Vater, der Müller, steht mit der Mütze in der Hand vor mir und sagt Bitte, Herr, seien Sie nicht zu streng mit mir . Der typische Müller, der seinen Herrn hinterrücks meuchelt, sobald der sich umdreht.
    »Papa, verschwinde. Wenn du Nachhilfe brauchst, such dir einen Lehrer.«
    »Ach was, du bist doch ideal dafür.«
    »Wieso ich, was geht mich das an!«
    »Weil du tüchtig bist, und geduldig bist du auch. Mirko ist ein aufgeweckter Bursche, nur in der Schule ist er nicht gerade eine Leuchte … Er hat schon ein Jahr verloren.«
    »Wann denn.«
    »In der Sechsten, glaube ich.«
    »Er ist in der Sechsten sitzengeblieben? Dann ist

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